Der Schwerpunkt der Abgrenzungsprobleme rund um Lebensmittel liegt bei der „Borderline“ zum Arzneimittel-Begriff. Auch die Abgrenzung von Lebensmitteln und Kosmetika (kosmetischen Mitteln) kann jedoch zweifelhaft sein. Für Gesundheitsunternehmen wird es zugleich immer reizvoller, bestimmte Grenzprodukte dem Kosmetikrecht zuzuschlagen, das für Kosmetika – im Unterschied zu Lebensmitteln- kein Verbot krankheitsbezogener Werbung gilt und Kosmetika außerdem auch nicht der neuen Health Claims Verordnung unterfallen. Anhand eines Besipielsfalls aus der Praxis soll nachfolgend ein Einstieg in die Problematik verschafft werden.

I. Problematik

Abgrenzungsprobleme zwischen Kosmetika und Lebensmitteln stellen sich in den meisten Fällen nicht. Denn Kosmetika werden typischerweise äußerlich angewendet, während Lebensmittel aufgenommen, d.h. dem Magen zugeführt werden. Abgrenzungsprobleme können jedoch dann entstehen, wenn es um Produkte geht, die in der Mundhöhle gekaut oder gelutscht werden. Mit einem solchen Fall hatte sich z.B. das LG Köln in einer Entscheidung vom 10.07.2007 zu befassen.

II. Ein Beispiel aus der Praxis

Gegenstand dieses Rechtsstreits war ein Produkt, das als kosmetisches Mittel in Verkehr gebracht wird und auf dessen Umverpackung sich unter anderem folgende Hinweise finden: „das Anti-Kariesbonbon“, „das Anti-Kariesbonbon für die ganze Familie“, „mit Xylit für Kariesschutz“ und „der patentierte Dispenser für garantierte Frische und Kariesschutz“. Gegen diese Werbeaussagen hatte sich ein Wettbewerbsverband gewendet. Der Kläger war der Ansicht, dass die Beklagte mit diesen Claims gegen das Verbot krankheitsbezogener Werbung gemäß § 12 Abs. 1 Nr. 1 LFGB verstoße, weil es sich bei dem Produkt nicht um ein Kosmetikum, sondern um ein Lebensmittel handele. Zudem werde der Anschein eines Arzneimittels erweckt im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 4 LFGB.

Das Gericht wies die Unterlassungsklage des Wettbewerbsverbandes ab, da das umstrittene Produkt zu Recht als kosmetisches Mittel und nicht als Lebensmittel in Verkehr gebracht werde.

Die Aufmachung des Produktes, so die Auffassung des LG Köln, stelle den zahnpflegenden beziehungsweise zahnschützenden Charakter in den Vordergrund. Der Verbraucher erfahre, dass das Produkt gegen Karies wirkt, dass es ohne Zucker und mit Xylit für Kariesschutz hergestellt ist. Auf der Vorderseite ist das Foto eines geöffneten Mundes mit weißen Zähnen mit einem Stern, der das Strahlen verdeutlichen soll, zu sehen. Die Aussage „Anti-Kariesbonbon“ verdeutliche im Zusammenhang mit dem Foto dem Verbraucher die Zweckbestimmung des Produktes. Auch die Geschmacksrichtung „Spearmint“ weise auf Zahnfrische hin, da „Spearmint“ dem Verkehr bereits im Bereich von Zahnpflegekaugummis als Hinweis auf Frische bekannt sei. Die Rückseite unterstütze diesen Eindruck, da dort ebenfalls die Aussagen über Frische und Zahnpflege in den Vordergrund gestellt werden.

Zwar gebe es nach Auffassung des Gerichts auch Umstände, die gegen den Charakter des Produktes als Kosmetikum sprechen könnten wie die Verwendung des Begriffs „Bonbon“ und der Umstand, dass das Produkt der Beklagten nicht bei Drogerieartikeln, sondern bei Süßwaren beziehungsweise vor allem im vorderen Kassenbereich dargeboten und auch als wohlschmeckend beworben werde. Der Begriff Bonbon deute jedoch nicht für sich gesehen bereits zwingend auf ein Lebensmittel hin. Sondern aufgrund der Vielzahl von Hustenpräparaten, die den Begriff Bonbon verwenden, sei dem Verkehr bekannt, dass auch Produkte, die keine Lebensmittel im klassischen Sinne sind, als Bonbon bezeichnet werden, wenn es sich um Produkte handele, die dazu bestimmt sind, gelutscht zu werden. Der Verkehr werde daher ein Produkt nicht allein wegen der Verwendung des Begriffs „Bonbon“ stets mit einem Lebensmittel gleichsetzen. Dass durch das Lutschen naturgemäß auch das Produkt in den menschlichen Körper Aufnahme findet, spreche nicht gegen die Einordnung als kosmetisches Mittel, da nicht die Aufnahme, sondern aufgrund der Aufmachung – für den Verkehr erkennbar – der zahnpflegende und frischefördernde Zweck im Vordergrund stehe.

Der Begriff „Anti-Karies“ gehe auch nicht über die Aussage einer verhütenden Wirkung hinaus. „Anti-Karies“ sei dem Verkehr aus dem Bereich Zahnpasta bekannt. Auch dort werde mit dieser Aussage geworben, wobei dem Verkehr bewusst sei, dass die Benutzung einer „Anti-Karies“ Zahnpasta nicht dazu geeignet sei, bereits vorhandene Karies zu entfernen und zu beseitigen, sondern dass es allein darum gehe, vorbeugend die Entstehung von Karies zu verhindern.

III. Kritik

Zuzustimmen ist dem Gericht, das betreffende Produkt nicht als Lebensmittel einzustufen. Anstatt das Produkt automatisch dem Kosmetik-Begriff zuzuordnen, wäre es jedoch geboten gewesen, das streitgegenständliche Produkt daraufhin zu untersuchen, ob es sich nicht um ein Präsentationsarzneimittel handelt – wofür manche Anhaltspunkte bestehen.

Im Ausgangpunkt zutreffend knüpft die Entscheidung des LG Köln an die bisherige Rechtsprechung zu Zahnpflege-Kaugummis an, welche die Grenzlinie zwischen Kosmetika und Lebensmitteln wie folgt zieht: Kaugummis, die überwiegend zur Zahn- und Mundpflege bestimmt sind, sind auch dann kosmetische Mittel, wenn sie mit Genuss gekaut oder sogar geschluckt werden, da es sich insoweit nur um einen Nebenzweck handelt. Die Entscheidung des LG Köln überträgt diese Grundsätze in konsequenter Weise auch auf Bonbons, die zur Zahnpflege bestimmt sind. Zu Recht ergibt sich nämlich aus der Auslobung („Anti-Karies“, „für Kariesschutz“ etc.) und den vom Gericht aufgezählten Indizien, dass die überwiegende Zweckbestimmung des Produktes jedenfalls nicht diejenige eines Lebensmittels ist, so dass ein Verstoß gegen das Verbot krankheitsbezogener Werbung für Lebensmittel gemäß § 12 LFGB in der Tat ebenso ausscheidet wie ein Verstoß gegen § 11 Abs. 1 Nr. 4 LFGB.

Die eigentlich brisante Frage ist jedoch, ob es sich bei dem Produkt weder um ein Lebensmittel noch um ein kosmetisches Mittel, sondern um ein (Präsentations-)Arzneimittel handelt. Denn da die überwiegende Zweckbestimmung des Produktes diejenige der Kariesprophylaxe ist, liegt an sich eine überwiegende arzneiliche Zweckbestimmung vor. Das Gericht selbst stellt zwar zutreffend fest, dass es „allein darum geht, vorbeugend die Entstehung von Karies zu verhindern“, hält aber die Einstufung als Arzneimittel scheinbar deshalb für ausgeschlossen, da sich die ausgelobte Wirkung auf diese Vorbeugung beschränke und keine „weitergehende Wirkung“, d.h. die Heilung oder Linderung bereits eingetretener Karies in Aussicht gestellt werde. Dabei verkennt das Gericht allerdings, dass kosmetische Mittel zwar auf Basis des „alten“ LMBG überwiegend der Krankheitsvorbeugung dienen durften, ohne damit als Arzneimittel eingestuft zu werden. Auf Grundlage des neuen Kosmetikbegriffs in § 2 Abs. 5 LFGB handelt es sich jedoch bei Produkten, die zumindest gleichwertig neben kosmetischen Zwecken auch der Krankheitsprophylaxe dienen, um (Präsentations-)Arzneimittel. Es ist daher zumindest zweifelhaft, ob das verfahrensgegenständliche „Anti-Kariesbonbon“ nicht richtigerweise als Arzneimittel einzustufen wäre. Zwar handelt es sich bei Zahnpflegemitteln nach der Verkehrsanschauung und den Vorstellungen des Gesetzgebers (vgl. Anhang 1 der Kosmetik-Richtlinie) um „klassische“ Kosmetika. Zumindest bei aggressiver Auslobung eines Produktes als „Anti-Karies“ etc. spricht jedoch auf Grundlage des neuen Kosmetikbegriffs in § 2 Abs. 5 LFGB vieles dafür, dass solche primär als Krankheitsprophylaxe beworbenen Zahnpflegemittel in den Status eines (Präsentations-) Arzneimittels hineinrutschen. Im Übrigen dürfte eine solche „Anti-Karies“-Wirkung – soweit sie tatsächlich gegeben ist – auch als pharmakologische Wirkung einzustufen sein, so dass auch eine Einstufung als Funktionsarzneimittel nahe liegt.

IV. Ausblick

Die Entscheidung des LG Köln demonstriert damit einmal mehr, dass die Gerichte dazu neigen, bei Abgrenzungsstreitigkeiten solche Produkte zu privilegieren, die nach der Verkehrsauffassung als „traditionelle“ Kosmetika erscheinen bzw. solchen zumindest nahe stehen. Innovative Produkte, bei denen kein Rückgriff auf bestehende Verbrauchergewohnheiten möglich ist, werden dagegen ungleich schneller als Präsentationsarzneimittel eingestuft. Sowohl der geänderte Kosmetikbegriff des § 2 Abs. 5 LFGB, der nunmehr krankheitsvorbeugende Zweckbestimmungen von Produkten dem Arzneimittelregime unterstellt, als auch die mit der Neufassung des Gemeinschaftskodex für Humanarzneimittel eingetretene Verobjektivierung des Arzneimittelbegriffs lassen für solche primär über die Verkehrsanschauung gesteuerten Abgrenzungsmechanismen zwar an sich keinen Raum mehr. Die Vertreiber innovativer Kosmetika sollten sich gleichwohl darauf einstellen, ihre Claims besonders sorgfältig zu formulieren. Und auch wer eher „klassische“ Kosmetika vertreibt, sollte sich mit Hinblick auf die aktuelle Rechtslage davor hüten, seinen Produkten allzu offensiv Eigenschaften der Krankheitsprophylaxe zuzuschreiben.

Autor: RA Thomas Bruggmann LL.M.

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