Für Kinder in Deutschland sind Freundschaft, Geborgenheit, Ehrlichkeit und Vertrauen die wichtigsten Werte. Geld, Ordnung und Durchsetzungsfähigkeit spielen dagegen bei den 6- bis 14-Jährigen eine untergeordnete Rolle. Dies ist das Ergebnis des Kinderwerte-Monitors 2008 des Kindermagazins GEOlino in Zusammenarbeit mit UNICEF. Während Kinder sonst meist von Erwachsenen danach beurteilt werden, welche Eigenschaften und Orientierungen ihnen zum Erfolg in der Schule und später im Beruf und Erwachsenenleben verhelfen, stellt die jetzt vorgelegte repräsentative Studie die Perspektive der Kinder in den Mittelpunkt.

Danach sind für die deutschen Kinder in wirtschaftlich schwierigen Zeiten und angesichts instabiler sozialer Beziehungen vor allem Geborgenheit und Orientierung wichtig. Die Befragung zeigt aber auch, dass sich bereits viele junge Kinder mit Ängsten auseinander-setzen: So hat mehr als jedes zehnte Kind in Deutschland Angst vor der Schule. Nahezu ein Viertel fürchtet sich vor dem Verlust von Eltern oder nahen Angehörigen. Hierzu gehört auch die Angst vor Scheidungen.

Vor allem bei ihren Eltern, Großeltern und mit wachsendem Alter bei ihren Freunden suchen Kinder Orientierung für die Ausformung ihres Wertesystems. Dagegen spielen Politiker, Medien und Prominente nach Auffassung der Kinder diesbezüglich nur eine untergeordnete Rolle. Im Vergleich zum ersten GEOlino-Kinderwerte-Monitor von 2006 hat aber aus Sicht der Kinder die Bedeutung traditioneller Institutionen für die Vermittlung von Werten zugenommen: Dies gilt vor allem für die Lehrer, aber auch für Vereine und die Kirchen.

„Kinder brauchen Erwachsene, die sich Zeit für sie nehmen können und die ihnen glaubhaft Werte vorleben. Starke Familien, die ihren Kindern ein anregungsreiches und verlässliches Umfeld bieten, sind die beste Basis für einen guten Start ins Leben“, erklärte Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen anlässlich der Vorstellung des Werte-Monitors.

„Die Werte, Erwartungen und Ängste der Kinder sind ein zentraler Faktor für ihr Wohlbefinden“, sagte Prof. Hans Bertram, Humboldt Universität Berlin. „Die sozialwissenschaftliche Forschung in Deutschland muss die Perspektive der Kinder stärker einbeziehen.“

„Die Ergebnisse des Werte-Monitors bestätigen: Vor der Forderung nach Leistung und Erfolg müssen Verlässlichkeit, Respekt und Zuversicht stehen“, sagte Ann Kathrin Linsenhoff, stellvertretende Vorsitzende von UNICEF Deutschland.

„Die Kinder in Deutschland sind pragmatisch und idealistisch zugleich. Sie wollen sich den Anforderungen stellen und sich gleichzeitig für eine bessere Welt einsetzen. Hierzu brauchen sie aber auch die Unterstützung der Erwachsenen“, so Dr. Gerd Brüne, Verlagsleiter der GEO-Gruppe, in deren Auftrag die Umfrage im Sommer 2008 durchgeführt wurde.

Leistungsbereitschaft und Wunsch nach Gerechtigkeit
Wie wichtig bereits junge Kinder in Deutschland die zum Teil sehr hohen Leistungserwartungen ihrer Umwelt nehmen, zeigt sich daran, dass 86 Prozent Leistungsbereitschaft als „total wichtig“ oder „wichtig“ einstufen. Trotzdem sind Werte wie „Gerechtigkeit“ und „Hilfsbereitschaft“ im Wertekosmos der 6- bis 14-Jährigen nahezu gleich wichtig. Materielle Werte wie Geld oder Besitz rangieren in dieser Lebensphase noch an untergeordneter Stelle. Allerdings räumen Jungen diesen Werten insgesamt eine höhere Bedeutung ein als Mädchen.

Grundsätzlich sind die Kinder zwischen sechs und 14 Jahren hilfsbereit und offen, sich zu engagieren – zum Beispiel für Freunde und für Tiere. Drei Viertel der Kinder sind „sehr gerne“ oder „gerne“ bereit, Menschen, denen es nicht so gut geht, oder Menschen in ärmeren Ländern zu helfen.

Allerdings sagen fast 50 Prozent, dass sie sich „nicht so gerne“ oder „überhaupt nicht gerne“ in der Schule engagieren möchten. Dies könnte darauf hindeuten, dass die Schule weniger als Ort für soziales Engagement gesehen wird, oder dass es dort dafür nur wenige Gelegenheiten gibt.

Bedeutung von speziellen Kinderrechten
Die deutschen Kinder haben auch ein ausgeprägtes Gefühl für tatsächliche oder vorgestellte Bedrohungen. So nennen auf die Frage, welche Kinderrechte sie am wichtigsten finden, 81 Prozent das Recht, ohne Gewalt aufzuwachsen. 75 Prozent ist es „total wichtig“, dass Kinder in Krisengebieten beschützt werden. Das Recht zu Spielen (72 Prozent) und das Recht, Vater und Mutter regelmäßig sehen zu dürfen (71 Prozent), liegen fast gleichauf.

Wovor Kinder Angst haben
„Dass ich krank werde und sterbe.“ Junge, 6 Jahre
„Das meine Mama weg ist.“ Junge, 6 Jahre
„Dass meine Mama schimpft, dass ich mal zu Papa ziehen muss.“ Junge, 6 Jahre
„Vor Löwen und Tigern. Vor ganz starken Menschen.“ Junge, 6 Jahre
„Mein Vati und meine Mutti sollen sich nicht trennen wie die Eltern von meiner Freundin.“  Mädchen, 7 Jahre
„Dass ich die Schule nicht schaffe, dass ich mal keine Lehrstelle bekomme“ Junge, 8 Jahre
„Dass mein Vater arbeitslos bleibt, vor schlechten Schulnoten.“ Junge, 9 Jahre
„Ich habe Angst vor Spinnen, vor Schulwechsel, vor dem Sterben. Wenn jemand ertrinken sollte. Ich habe Angst vor Prüfungen und sollte mal unser Haus brennen.“ Mädchen, 10 Jahre

Hintergrund der Studie
Im Auftrag von GEOlino und in Zusammenarbeit mit UNICEF hat das Marktforschungsinstitut Synovate Kids+Teens im Juni/Juli 2008 stellvertretend für die 7,1 Millionen in der Bundesrepublik lebenden deutschsprachigen Kinder zwischen sechs und 14 Jahren insgesamt 911 Kinder zu ihren Wertvorstellungen und Einstellungen befragt. Die Kinder wurden repräsentativ ausgewählt und zu Hause interviewt. Parallel wurde die Meinung der Mütter der befragten 6- bis 12-Jährigen mittels eines Fragebogens erhoben.

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