Alle reden von krankhaftem Übergewicht, kaum jemand von Mangelernährung. Beides muss kein Widerspruch sein. Mangelernährung ist auch bei dicken Patienten und Altersheimbewohnern ein häufiges Problem. Der Zusammenhang zwischen einem schlechten Ernährungszustand, einer eingeschränkten Lebensqualität für die Betroffenen, einer längeren Genesungsdauer und enormen Kosten für das Gesundheitssystem werden noch immer unterschätzt. Mit dem „nutritionDay“ am 29. Januar wollen zahlreiche europäische Länder nun gegensteuern.

Hauptproblematik ist, dass Mangelernährung noch immer in erster Linie bei Patienten mit einem zu niedrigen Körpergewicht bzw. niedrigen Body-Mass-Index (BMI < 18,5) vermutet wird. Daher bleibt allzu oft eine unzureichende Nahrungsaufnahme von Kranken und die damit zusammenhängende Verschlechterung des Ernährungszustands unerkannt oder sie wird der Erkrankung per se zugeschrieben. 40 Prozent aller Krebspatienten sterben – so schätzen Fachleute – gar nicht an der Krebserkrankung, sondern an ihren Ernährungsdefiziten. Dabei ließe sich der ungewollte Gewichtsverlust leicht erkennen: Durch regelmäßiges Wiegen. Verliert ein Patient binnen drei Monaten fünf Prozent seines Gewichts, sollte dies für die Ärzte ein Alarmsignal sein.

Die Problematik ist auch von politischer Brisanz. Der Europarat hat daher bereits 2002 eine Empfehlung erarbeitet, um dem Problem beizukommen. Diese politische Willenserklärung wird von 18 Staaten durch das Projekt „nutritionDay in Europe“ in die Praxis umgesetzt. Die Initiative untersucht den Ernährungszustand und die Ernährungsversorgung von Krankenhauspatienten und -patientinnen sowie Pflegeheimbewohnern an einem vorgegebenen Stichtag, in diesem Jahr am 29. Januar, mit standardisierten Fragebögen. Ziel ist es, aktuelle, vergleichbare und aussagekräftige Daten zu erheben, um Probleme zu erkennen und Verbesserungen in die Wege leiten zu können. Zu den dort geforderten Maßnahmen gehört auch das Wiegen der Patienten.

Ärzte, Patienten und deren Angehörige können dabei auf kostenlose schriftliche und elektronische Hilfen zurückgreifen: Gewichtskarten und Erfassungssoftware. Für Patienten gibt es zudem Aufklärungsbroschüren mit Ernährungstipps. Broschüren, Gewichtskarte und Software können aus dem Internet unter www.ungewollter-gewichtsverlust.de herunter geladen werden. Erarbeitet wurden sie vom Bundesverband der Hersteller von Lebensmitteln für eine besondere Ernährung mit Unterstützung der Deutschen Krebsgesellschaft und der Deutschen Gesellschaft für Ernährungsmedizin (DGEM). Der Verband will mit diesen Maßnahmen Ärzte und Angehörige für die Bedeutung einer regelmäßigen Gewichtskontrolle insbesondere von Krebspatienten sensibilisieren.

Beim diesjährigen nutritionDay am 29. Januar machen europaweit erstmals Krankenhäuser, Intensivstationen und Pflegeheime gemeinsam mit. Die Daten werden stationsbezogen und anonymisiert ausgewertet. Weitere Informationen gibt es unter www.nutritionday.org .

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