Eine internationale Forschergruppe hat unter Mitwirkung von über 2.000 Patienten der Klinik Lindberg Winterthur herausgefunden, dass drei bisher unbekannte Genvarianten für bis zu 50 Prozent der Adipositas mit BMI über 35kg/m2 mitverantwortlich sind. Diese Entdeckung könnte helfen, das Risiko von Übergewicht schon bei Kindern zu erkennen und frühzeitig die entsprechenden Massnahmen zu ergreifen.

Während zehn Jahren hat die internationale Forschergruppe, zu der auch Wissenschaftler der Klinik Lindberg (Chefarzt PD Dr. med. Fritz Horber) gehören, das Erbgut von übergewichtigen Kindern unter sechs Jahren und krankhaft übergewichtigen Erwachsenen untersucht. Sie verglich die Ergebnisse mit dem Erbgut von gleichaltrigen, normalgewichtigen Menschen.

Die Forschergruppe entdeckte dabei eine erste Genvariante, die sich im PTER-Gen (Chromosom 10) befindet, dessen Funktion noch unbekannt ist. Diese Genvariante ist für das schwere Übergewicht bei einem Drittel der Kinder und einem Fünftel der krankhaft übergewichtigen Erwachsenen verantwortlich. Im NPC1-Gen (Chromosom 18) haben die Forscher die zweite Genvariante gefunden. Tests mit Mäusen haben ergeben, dass dieses Gen eine Rolle bei der Kontrolle des Appetits spielt. 10 Prozent der Kinder mit Übergewicht und 14 Prozent der krankhaft übergewichtigen Erwachsenen tragen diese Genvariante. Die dritte Genvariante befindet sich in der Nähe des MAF-Gens (Chromosom 16), das die Produktion der Hormone Insulin und Glucagon sowie Glucagon-ähnlicher Peptide kontrolliert. Diese Hormone sind für die Speicherung von Fett sowie Kohlenhydraten verantwortlich und scheinen das Sättigungsgefühl zu regulieren. Diese Gen-Variante verursacht Übergewicht bei 6 Prozent der Kinder und 16 Prozent der Erwachsenen. Fast gleichzeitig haben zwei andere Forschergruppen mehrere weitere Gene entdeckt, die Übergewicht auslösen. Zusammen mit den bereits bekannten Genen FTO, Near MC4-R und PCSK1 (alle drei seit 2007 unter Mitwirkung der Klinik Lindberg entdeckt) sind heute insgesamt mindestens 15 häufige Genvarianten bekannt, welche zu Übergewicht prädisponieren.

Hervorzuheben ist, dass alle diese Genvarianten im Gehirn vorkommen und mit Essverhalten sowie Energieregulation verbunden sind. Die neu gewonnenen Erkenntnisse werden erlauben zu verstehen, warum die einen Menschen bei gleicher Ernährung und Aktivität übergewichtig werden, während andere, ohne auf Ernährung und Bewegung zu achten, schlank bleiben. Ob in Zukunft eine gezielte, frühzeitige Veränderung des Lebensstils bei Übergewichtsrisikopatienten die Entwicklung von krankhafter Adipositas verhindern wird, ist eine wichtige gesundheitspolitische Frage.

Quellen
Nature Genetics 41, 157–159(2009), published online: 18. Januar 2009 | doi:10.1038/ng.301. „Genome-wide association study for early-onset and morbid adult obesity identifies three new risk loci in European populations“, Meyre D. et al.

Nature Genetics 41, Februar 2009, „A supersized list of obesity genes“, Marten Hofker & Cisca Wijmenga.

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