Prüfungen, Auslese, Versagensängste – gute sieben Jahre nach dem ersten PISA-Schock hat sich der Wettbewerb an den Schulen dramatisch verschärft. Leidtragende sind die Schwachen. Wie die Frauenzeitschrift FÜR SIE in ihrer aktuellen Ausgabe berichtet, verlassen hierzulande jährlich mehr als 70000 Jugendlich die Schule ohne jeden Abschluss.

Als „kinderfeindlich“ bezeichnet Kurt Singer unsere Bildungseinrichtungen, die heutzutage Prüf- statt Lernstätten seien. „Schulen müssten ein Ort sein, an dem Kinder Schwäche zeigen dürfen und Unterstützung erfahren“, sagt der Münchner Professor für Schulpädagogik und Pädagogische Psychologie. Anders als beispielsweise in Finnland, wo kein Kind verloren gegeben werde, herrsche bei uns jedoch das Prinzip des Scheiternlassens. „Rund 250000 Schüler werden jährlich sitzen gelassen. Das ist Raubbau an kindlicher Lernenergie.“

Die frühe Auslese nach Leistung, sei es bei der Einschulung, bei Vergleichsarbeiten oder beim Übergang in weiterführende Schulden, schädige die Kinder in ihrer Entwicklung. Auch die Verkürzung der Schulzeit habe negative Folgen, weil das höhere Unterrichtstempo den Druck auf die Kinder verstärke. „Je älter die Schüler werden, desto mehr werden sie von Kontrolleuren statt Lernhelfern unterrichtet“, beklagt Singer.

Doch auch die Eltern stehen unter Druck. So kommt eine Studie der Konrad-Adenauer-Stiftung zu dem Schluss, dass die Wettbewerbsorientierung der Wirtschaft längst Einzug ins Familienleben gehalten hat. In dem Bewusstsein, dass Bildung und Schule über soziale Lebensschancen entscheidet, investieren Eltern heute bereits im Grundschulalter viel Zeit und Geld, damit das Kind den Schritt ins Gymnasium schafft.

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