Hoffnung auf Frühtherapie durch deutschlandweites Neugeborenenscreening Mukoviszidose ist weiterhin die häufigste tödlich verlaufende Erbkrankheit in Europa und Nordamerika. Am Universitätsklinikum Heidelberg wurde in einem Mausmodell erstmals eine effektive Frühtherapie der Erkrankung mit Amilorid entwickelt. Durch Screening von Neugeborenen auf Mukoviszidose könnte diese neue kausale Frühtherapie bald am Menschen erprobt werden.

Die Stoffwechselerkrankung Mukoviszidose, auch Cystische Fibrose (CF) genannt, führt bei den Betroffenen zu chronischen Beschwerden und Schäden vor allem in der Lunge, aber auch im Darm und anderen Organen. Der erbliche Defekt im CFTR-Gen (Cystis Fibrosis Transmembrane Conductance-Regulator-Gendefekt) steigert die Aktivität sogenannter Natrium-Kanäle in den Schleimhäuten, wodurch es zum Entzug von Salz und Wasser kommt. „Der sich dadurch bildende zähe Schleim kann nicht abtransportiert werden und verstopft die Atemwege. Er behindert die Atmung und bietet einen Nährboden für Bakterien, welche eine chronische Lungenentzündung verursachen können“, so Prof. Dr. Marcus Mall, der kürzlich eine Heisenberg-Professur für Translationale Pädiatrische Pneumologie an der Universitätsklinik Heidelberg erhielt und die neu eingerichtete Sektion für Pädiatrische Pneumologie und Allergologie leitet, in die auch das Mukoviszidose-Zentrum am Heidelberger Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin integriert ist.

An einem Mausmodell für Mukoviszidose konnte Prof. Mall mit seinem Team erstmals in einem lebenden Organismus zeigen, dass die Lungenerkrankung bei Mukoviszidose durch eine frühzeitige und präventive Therapie mit Amilorid erfolgreich behandelt werden kann. Der Arzneistoff wirkt als Blocker auf die hyperaktiven Natrium-Kanäle und setzt so an der Ursache der Erkrankung an. Es zeigte sich, dass der Zeitpunkt des Therapiebeginns eine entscheidende Rolle spielt: Erhalten Mäuse mit Mukoviszidose-ähnlicher Lungenerkrankung eine Inhalationstherapie mit Amilorid bevor sie Symptome ausprägen, wird die Sterblichkeit deutlich reduziert und die schädliche Bildung von Schleimpfropfen und chronischer Lungenentzündung langfristig unterbunden.

Übertragen auf Mukoviszidose-Patienten hieße dies, dass die Lungenerkrankung effektiv behandelt und dadurch die Lebenserwartung und Lebensqualität entscheidend gesteigert werden könnte. Voraussetzung hierfür wäre jedoch ein frühzeitiger Therapiebeginn in den ersten Lebenswochen, da die ersten pathologischen Veränderungen bereits innerhalb der ersten Lebensmonate auftreten. Aus früheren klinischen Studien ist bereits bekannt, dass Amilorid nach der Ausbildung der Lungenerkrankung keine therapeutisch positiven Effekte mehr hat.

Die rechtzeitige Diagnosestellung und ein früher Therapiebeginn wären mit Hilfe des Neugeborenenscreenings auf Mukoviszidose auch beim Menschen möglich. Leider konnte die für eine Frühtherapie so wichtige Untersuchung zwischenzeitlich in Deutschland immer noch nicht in das Routinescreening für Neugeborene aufgenommen werden. An der Universitätsklinik Heidelberg wird derzeit jedoch eine Studie zum Neugeborenenscreening bei Mukoviszidose durchgeführt, in welcher bisher ca. 80.000 Neugeborene auf Mukoviszidose untersucht und die Erkrankung mit dieser Methode bereits bei einigen Patienten frühzeitig diagnostiziert werden konnte. „Dass wir das Neugeborenenscreening auf Mukoviszidose in Heidelberg bereits durchführen, ist ein Alleinstellungsmerkmal in Deutschland“, sagt Prof. Mall.

Um die Wirksamkeit einer präventiven Therapie mit Amilorid möglichst bald in einer klinischen Studie überprüfen und für Patienten zur Verfügung stellen zu können, hoffen Prof. Mall und sein Team auf die Einführung eines flächendeckenden Neugeborenenscreenings in Deutschland, das im Rahmen der Regeldiagnostik von Stoffwechselerkrankungen mit Fersenblut des Neugeborenen erfolgen könnte. In Deutschland wird das neonatale CF-Screening anders als in einigen Nachbarländern jedoch kontrovers diskutiert und wurde deshalb noch nicht in das generelle Neugeborenenscreening aufgenommen.

„Mit dem Neugeborenenscreening und der Erfindung ließe sich die Lebensqualität und die Lebenserwartung von Tausenden von Menschen mit Sicherheit verbessern. Jeden Tag kommt in Deutschland ein Kind mit CF-Gendefekt zur Welt“, so die Innovationsmanagerin Dr. Uta Weirich von der Technologie-Lizenz-Büro GmbH, die für das neue Verfahren von Prof. Mall das Patent- und Verwertungsmanagement im Auftrag der Universität Heidelberg übernommen hat. In Deutschland allein leben rund 8000 Menschen mit der Erbkrankheit, ihre Lebenserwartung beträgt etwa 39 Jahre.

Quelle: Technologie-Lizenz-Büro (TLB) der Baden-Württembergischen Hochschulen GmbH

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