Einen besonders gravierenden Betrugsfall nennt der Gesundheitsexperte der SPD- Bundestagsfraktion, Karl Lauterbach, die Berichte über einen bundesweiten Millionenbetrug mit gefälschten HIV-Medikamenten. „Ich weiß nicht, was man viel Schlimmeres an Betrug auf dem Pharmamarkt machen kann. Wenn ich Einkommensschwachen, die in Entwicklungsländern aidserkrankt sind, die Medikamente wegstehle, um sie hier teurer zu verkaufen – viel schlimmer kann man kaum vorgehen“, so Lauterbach. Auch das Bundesgesundheitsministerium nimmt den Vorgang sehr ernst. Eine Sprecherin sagte dem Radioprogramm NDR Info, das Ministerium habe bereits vor Jahren Regelungen geschaffen, um Betrug zu verhindern, weitere würden folgen. An der vor wenigen Tagen von der Europäischen Union beschlossenen Fälschungsrichtlinie habe das Ministerium tatkräftig mitgearbeitet. Dadurch könnten künftig einzelne Arzneimittel bei der Abgabe in der Apotheke identifiziert werden.

Nach Recherchen von NDR Info ermitteln bundesweit mehrere Staatsanwaltschaften und das Bundeskriminalamt gegen Pharma-Großhändler aus Schleswig-Holstein und Rheinland-Pfalz, die HIV-Medikamente auf dem deutschen Markt zu extrem hohen Preisen weiterverkauft haben sollen. Die Medikamente waren offenbar subventioniert und ursprünglich für Patienten in Südafrika vorgesehen. Sie kamen über Belgien und die Schweiz nach Deutschland.

Die AOK Niedersachsen geht von einem Schaden allein für die Krankenkassen in zweistelliger Millionenhöhe aus. Die gefälschten HIV-Medikamente hatten in Deutschland keine Zulassung. Da gefälschte HIV-Präparate an Patienten in Deutschland verkauft wurden, kündigte AOK-Sprecher Giebel an, Schadenersatz in voller Höhe von den Apothekern zu fordern. Nachdem der mögliche Betrug aufgefallen war, zogen mehrere Pharmakonzerne die betroffenen Chargen aus Sicherheitsgründen zurück. Dabei stellte sich heraus, dass Umverpackung, Blister und Beipackzettel gefälscht waren. Der Wirkstoff selbst war hingegen original. Ob die Kühlkette unterbrochen wurde oder das Haltbarkeitsdatum überschritten war, wird in einigen Fällen noch überprüft.

Sollten sich die Vorwürfe gegen die beschuldigten Pharma-Großhändler bestätigten, hält der SPD-Politiker Lauterbach Haftstrafen für mehr als angebracht. Rüdiger Meienburg, leitender Oberstaatsanwalt in Flensburg sagte, dass auf gewerbsmäßigen Betrug im Arzneimittelbereich Haftstrafen zwischen drei Monaten und zehn Jahren liegen. Er kündigte bei NDR Info an, Rechtshilfeersuchen an die betroffenen Länder zu stellen. Die Ermittlungen werden noch Monate dauern, dabei wird auch die Frage ein Rolle spielen, welche Medikamente die HIV-Patienten in Südafrika bekommen haben, oder ob sie möglicherweise Präparate mit weniger Wirkstoff erhalten haben.

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