Seit Anfang Mai 2011 sind vermehrt Personen an blutigem Durchfall und dem so genannten hämolytisch-urämischen Syndrom (HUS) erkrankt. Dem Robert Koch-Institut wurden insgesamt 689 HUS-Fälle übermittelt, darunter 18 Todesfälle (Stand 7. Juni 2011, 15 Uhr). Bislang sind dem RKI außerdem 1.959 Fälle mit einer Infektion mit EHEC übermittelt worden. Sechs übermittelte EHEC-Fälle sind verstorben. Insgesamt sind damit 2.648 Personen an HUS oder EHEC erkrankt, 24 Personen starben an HUS oder EHEC.. Die Meldedaten zu HUS und EHEC und auch die Informationen aus der Surveillance blutiger Durchfälle in Notaufnahmen lassen derzeit insgesamt einen abnehmenden Trend der Fallzahlen erkennen. Ob dieser Rückgang auf eine Veränderung im Verzehrverhalten der Bevölkerung hinsichtlich Gurken, Tomaten und Blattsalaten oder auf ein Versiegen der Infektionsquelle zurückzuführen ist, kann derzeit nicht mit Sicherheit bestimmt werden.

Insgesamt 75 % der HUS-Fälle stammen aus Schleswig-Holstein (n=167), Hamburg (n=149), Niedersachsen (n=103) und Nordrhein-Westfalen (n=96). Es sind alle Bundesländer von dem HUS-Ausbruch betroffen. Die weit überwiegende Anzahl der HUS-Fälle steht im Zusammenhang mit einer Exposition in Norddeutschland. Mehr als 75 % der EHEC-Fälle stammen aus den vier Bundesländern Schleswig-Holstein (n=590), Niedersachsen (n=410), Hamburg (n=280) und Nordrhein-Westfalen (n=221). Alle Bundesländer sind von dem EHEC-Ausbruch betroffen. Der Link zu Tabellen mit Erkrankungszahlen und Todesfällen nach Bundesländern aufgeschlüsselt ist am Ende dieses Textes zu finden.
Bei HUS war der früheste Erkrankungsbeginn mit Durchfall am 1. Mai, der späteste Erkrankungsbeginn mit Durchfall der bisher übermittelten Fälle war am 4. Juni. Vom 1. bis 8. Mai lag die Fallzahl zwischen 0 und 2 Fällen täglich. Am 9. Mai stieg die Fallzahl auf 7 Fälle an und erhöhte sich kontinuierlich weiter bis zu einem bisherigen Maximum von 58 Fällen am 21. Mai
Bei den EHEC-Infektionen war der früheste Erkrankungsbeginn mit Durchfall am 1. Mai, der späteste am 4. Juni. Vom 1. bis 12. Mai lag die Fallzahl von EHEC-Infektionen zwischen 0 und 14 Fällen täglich. Danach stieg die Fallzahl kontinuierlich an, bis auf ein Maximum von 138 Fällen am 22. Mai.
Die Ergebnisse der ersten Studien, die ein erhöhtes Erkrankungsrisiko nach Verzehr von Tomaten, Gurken und Salat zeigten, konnten durch weitere Untersuchungen bestätigt werden. Nach gegenwärtigem Kenntnisstand ist jedoch nicht auszuschließen, dass mehrere Gemüsesorten Überträger des EHEC-Bakteriums sind. Bei den Befragungen des RKI, die von Beginn an auch den Verzehr von Sprossen umfassten, hatte bisher nur 28 % der Patienten den Verzehr von Sprossen angegeben. In einer laufenden dritten Fall-Kontroll-Studie des RKI wird speziell der Verzehr von Salat-Zutaten einschließlich Sprossen als möglicher Risikofaktor untersucht. Auch weitere Erklärungsmuster werden parallel weiterverfolgt. Das RKI steht dabei in ständigem Austausch mit dem Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR), das für Verzehrsempfehlungen und -warnungen zuständig ist (siehe www.bfr.bund.de). Die Fragebogen der verschiedenen epidemiologischen Studien des RKI und eine Erläuterung der epidemiologischen Arbeitsweise sind im Internet abrufbar.
Nach Aussage des Niedersächsischen Landwirtschaftsministeriums weist eine Analyse der Vertriebswege darauf hin, dass der Verzehr von Sprossen aus einem niedersächsischen Erzeugerbetrieb möglicherweise mit den EHEC/HUS-Erkrankungen in Zusammenhang steht. Ein definitiver Nachweis des EHEC O104:H4-Erregers auf Sprossen liegt noch nicht vor. Das Nationale Referenzlabor für Escherichia coli des BfR untersucht die Proben der Sprossen..

Bei dem aktuellen Geschehen handelt es sich um einen der weltweit größten bislang beschriebenen Ausbrüche von EHEC bzw. HUS und den bislang größten Ausbruch in Deutschland, wobei insbesondere die Alters- und Geschlechterverteilung ungewöhnlich ist. Nach wie vor sind vor allem Erwachsene, überwiegend Frauen, betroffen. Zu anderen Zeiten entwickeln vorwiegend Kinder dieses schwere Krankheitsbild: Im Jahr 2010 zum Beispiel wurden dem Robert Koch-Institut 65 HUS-Fälle übermittelt, 6 Betroffene waren älter als 18 Jahre.

In Zusammenhang mit dem aktuellen Geschehen gibt das RKI folgende Empfehlungen:

  • Die Verzehrsempfehlung des Bundesinstituts für Risikobewertung (www.bfr.bund.de) sollte beachtet werden. Wie bisher gilt, dass alle Personen mit Durchfall darauf achten sollten, dass strikte Hände-Hygiene eingehalten wird, insbesondere gegenüber Kleinkindern und immungeschwächten Personen. Die Empfehlungen zur guten Küchenhygiene, wie sie das Bundesinstitut für Risikobewertung in seinem Merkblatt zur Vermeidung von EHEC-Infektionen beschreibt (www.bfr.bund.de), behalten weiterhin ihre Gültigkeit.
  • Personen mit blutigem Durchfall sollten umgehend einen Arzt aufsuchen.
  • Ärzte sollten bei diesen Patienten einen EHEC-Nachweis (im Stuhl) anstreben. EHEC-Infektionen können klinisch unauffällig verlaufen oder einen wässrigen Durchfall verursachen. Ein kleinerer Teil der EHEC-Infektionen entwickelt sich als schwere Verlaufsform mit krampfartige Bauchschmerzen, blutigem Durchfall. Diese Patienten sollten die behandelnden Ärzte im Hinblick auf die mögliche Entwicklung eines HUS eng beobachten und bei ersten Anzeichen eines HUS an geeignete Behandlungszentren überweisen. Symptome von EHEC-assoziierten HUS-Erkrankungen beginnen innerhalb einer Woche nach Beginn des Durchfalls. Der Zeitraum zwischen der Infektion und den ersten Durchfallsymptomen beträgt durchschnittlich drei bis vier Tage.
  • Diagnostizierende Laboratorien sollten bei Erregernachweis geeignete Proben an das Nationale Referenzzentrum für Salmonellen und andere Enteritiserreger am RKI (Standort Wernigerode) zu senden. Labore und Ärzte sind nach Infektionsschutzgesetz verpflichtet, sowohl mikrobiologisch nachgewiesene EHEC-Infektionen, als auch das Krankheitsbild des HUS (auch bereits bei Krankheitsverdacht) unverzüglich an das örtliche Gesundheitsamt zu melden.

Untersuchungen im Nationalen Referenzzentrum für Salmonellen und andere bakterielle Enteritiserreger am Robert Koch-Institut sowie an dem mit dem Robert Koch-Institut zusammenarbeitenden Konsiliarlaboratorium für Hämolytisch-Urämisches Syndrom (HUS) am Institut für Hygiene der Universität Münster (Prof. H. Karch) haben gezeigt, dass der gegenwärtig zirkulierende Stamm Eigenschaften zweier verschiedener Typen von pathogenen Escherichia coli trägt. Zudem liegen besondere Resistenzeigenschaften vor (siehe unten stehenden Link zur EHEC-Diagnostik). Eine solche Neukombination krankmachender Eigenschaften sowie die Aufnahme von Resistenzgenen ist bei Escherichia coli bekannt.
Das Nationale Referenzlabor in Wernigerode hat bei 439 Patientenproben den Ausbruchsstamm identifiziert. Der Stamm zeigt eine erhöhte Resistenz gegen Cephalosporine der 3. Generation (ESBL), sowie eine breite Mehrfachresistenz u.a. gegen Trimethoprim/Sulfonamid und Tetrazykline. Dies ist allerdings klinisch nicht bedeutsam, da EHEC-Infektionen in der Regel nicht mit Antibiotika behandelt werden. Eine antibakterielle Therapie kann die Bakterienausscheidung verlängern und zur Stimulierung der Toxinbildung führen.
Das RKI hat Hinweise und Hilfestellungen zur Diagnostik des Ausbruchstammes auf seinen Internetseiten veröffentlicht (Link am Ende dieses Textes). Das Bundesinstitut für Risikobewertung hat sich in einer Stellunnahme zum Erreger geäußert (Link am Ende dieses Textes).

Das HUS ist eine schwere, unter Umständen tödliche Komplikation, die bei bakteriellen Darminfektionen mit sogenannten enterohämorrhagischen Escherichia coli (EHEC) auftreten kann. Pro Jahr werden dem RKI etwa 1000 EHEC-Fälle übermittelt. Das Vollbild des HUS ist charakterisiert durch akutes Nierenversagen, Blutarmut durch den Zerfall roter Blutkörperchen und einen Mangel an Blutplättchen. Im Jahr 2010 wurden dem Robert Koch-Institut zwei Todesfälle übermittelt.
Die das HUS verursachenden EHEC-Bakterien werden direkt oder indirekt vom Tier auf den Menschen übertragen. Als Reservoir gelten Wiederkäuer, vor allem Rinder, Schafe, Ziegen. Die Übertragung auf den Menschen erfolgt fäkal-oral, wobei die Erregeraufnahme über den Kontakt mit Tierkot, über kontaminierte Lebensmittel oder Wasser erfolgt, aber auch durch direkten Kontakt von Mensch zu Mensch (Schmierinfektion).
Es gibt bisher keine Hinweise darauf, dass rohes Fleisch oder Rohmilch ,die in Zusammenhang mit EHEC häufig als Überträger-Lebensmittel identifiziert werden, die Ursache des aktuellen Ausbruchs darstellen.

Quelle: rki

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