„Ein Indianer kennt keinen Schmerz“ – diese Volksweisheit prägte vor allem männliche Generationen. Dennoch sind es gerade Männer, die mehr jammern, wenn es weh tut. Und das, obwohl Frauen Schmerzen stärker und häufiger empfinden: 94 Prozent der Frauen leiden wenigstens einmal im Jahr an dem unangenehmen Reiz – das sind rund sechs Prozent mehr als beim starken Geschlecht.(1) Von Kopf- und Nackenschmerzen sind Frauen sogar zu 18 Prozent stärker betroffen als Männer.(1) Wissenschaftler sind nun der Frage nachgegangen, ob die geschlechtsspezifischen Unterschiede bei der Schmerzempfindlichkeit auch bei der Wirkung einer schmerzlindernden Therapie mit dem Aspirin-Wirkstoff beobachtet werden können. Das Ergebnis: Aspirin wirkt bei Frauen und Männern bei akuten leichten bis mäßig starken Schmerzen gleichermaßen gut.(2)

Gleich gute Schmerzlinderung bei Frauen und Männern

Die aktuelle Analyse umfasst die Daten von mehr als 9.000 Patienten aus fünf Beobachtungsstudien in Apotheken, die die Selbstmedikation von Schmerzen unter Alltagsbedingungen abbilden. Kopfschmerzen waren bei beiden Geschlechtern, der Hauptgrund für die Behandlung, gefolgt von erkältungsbedingten Schmerzen sowie Muskel- und Gelenkschmerzen. Die Mehrzahl der Patienten – 90,2 Prozent der Frauen und 88,6 Prozent der Männer – berichtete vor Behandlungsbeginn über mäßige bis starke Schmerzen. Zwei Stunden nach der Einnahme von ein bis zwei Aspirin-Tabletten (500-1.000 Milligramm) war rund jeder zweite Patient völlig schmerzfrei – unabhängig vom Geschlecht. Ein weiteres positives Ergebnis: Mehr als 90 Prozent der Frauen und Männer beurteilen die Wirksamkeit und Verträglichkeit von Aspirin als gut bis sehr gut.

Frauen fühlen Schmerzen stärker

Die Wahrnehmung und Verarbeitung von Schmerzen ist bei Frauen und Männern unterschiedlich organisiert: „Das männliche Gehirn zeigt bei Schmerzreizen eine stärkere Aktivität im Bereich der Denk- und analytischen Prozesse“, erklärt Professor Dr. Hartmut Göbel, Neurologe und Psychologe sowie Direktor der Schmerzklinik Kiel. „Bei Frauen wird hingegen das Gefühlszentrum im Gehirn stärker aktiviert. Zudem bremsen Östrogene bei Frauen die körpereigenen Schmerzhemm-Mechanismen und steigern die Schmerzempfindlichkeit – Frauen sind daher nahezu doppelt so schmerzempfindlich wie Männer“, sagt Prof. Göbel.(3) Auch im Umgang mit Schmerzen gibt es Unterschiede: „Frauen suchen eher eine umfangreiche soziale Unterstützung, nehmen schneller Medikamente und gehen früher zum Arzt – kurz, sie lassen sich eher helfen, stufen ihre Schmerzen aber sprachlich zurück“, berichtet Professor Göbel. „Männer hingegen versuchen das Problem selbst zu lösen, vermitteln aber gegenüber Ärzten intensivere Schmerzen.“ Wichtig für beide Geschlechter: Akute Schmerzen sollten gezielt behandelt werden, damit sie nicht chronisch werden. Bereits nach einem Zeitraum von drei bis vier Monaten kann das passieren. „Ein Indianer kennt keinen Schmerz“ sollte deshalb kein Lebensmotto mehr sein.

Quellen:

   (1) Diemer W/Burcher, H: Chronische Schmerzen - Kopf- und 
Rückenschmerzen, Tumorschmerzen. In: RKI (Hg): 
Gesundheitsberichterstattung des Bundes 1998, Heft 7. 

   (2) Gessner U/Theurer C: Geschlechtsunterschiede in der 
Selbstmedikation von Schmerzen? Subgruppenanalyse von gepoolten Daten
aus apotheken-basierten, nicht-interventionellen Studien mit Aspirin.
Posterpräsentation auf dem 7th Congress of the European Federation of
IASP Chapters (EFIC), Hamburg, 21. bis 24. September 2011. 

   (3) Averbuch, M/Katzper M: A Search for Sex Differences in 
Response to Analgesia. In: Arch Intern Med 2000; 160 (22): 3424-3428.

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