Mit einem einzigartigen und effektiven Experiment zur Aufklärung von Verbrauchern lockte die Allianz für den Zugang zu sicheren Arzneimitteln in Europa (EAASM) innerhalb von nur neun Wochen über 180.000 Besucher auf die Seiten einer gefälschten Online-Apotheke. Die Testapotheke Medizin Direkt (medizin-direkt.com/pharmacy), die unter anderem über Online-Anzeigen beworben wurde, stieg in dieser kurzen Zeit zu der am dritthäufigsten besuchten Online-Apotheke in Deutschland auf. Das Experiment macht deutlich, dass strengere Gesetze und Kontrollen, aber auch mehr Aufklärung notwendig sind. Es müssen Maßnahmen getroffen werden, um die Patientensicherheit zu gewährleisten und die Risiken, die von illegalen Online-Apotheken ausgehen, einzudämmen.

Immer mehr illegale Händler vertreiben gefälschte Medikamente über das Internet. Wie leicht sie es dabei haben, zeigt die ungewöhnliche Kampagne „Counterfeiting the Counterfeiter“ der EAASM: Mit einer kurzerhand ins Netz gestellten, nicht realen Online-Apotheke ist es der Organisation gelungen, in nur neun Wochen insgesamt 182.602 Menschen anzulocken – und damit 85 Prozent aller Menschen in Deutschland zu gewinnen, die in Suchmaschinen während dieser Zeit nach Online-Apotheken gesucht haben. Innerhalb eines Jahres hätte die Zahl auf eine Million ansteigen und dadurch illegal einen Umsatz zwischen 12 und 35 Millionen Euro generieren können, rechnet die Organisation hoch. Die Testapotheke der EAASM ahmte entsprechende Websites nach und bot scheinbar verschreibungspflichtige Medikamente an. Bestellen konnten die Besucher bei Medizin Direkt jedoch nichts: Klickte ein Besucher auf einen Link der Startseite, erschien ein Warnhinweis mit ausführlichen Informationen über gefälschte Arzneimittel. Insgesamt über 140.000 Besucher erreichte die EAASM mit diesen Informationen und weckte ihr Interesse – wie die Verweildauer der Besucher auf der Seite belegt. Durchschnittliche 55 Sekunden informierten sie sich über die Gefahren, einige blieben sogar länger als zwei Minuten. Die Seiten enthielten detaillierte Informationen zu gefälschten Arzneimitteln sowie Tipps zum Online-Kauf von Medikamenten, über die sich ein kleiner Prozentsatz der Besucher ausführlich informierte. Hiervon folgten 75 Prozent dem Link zu einer zertifizierten Online-Apotheke. Dieses Experiment veranschaulicht deutlich, dass Konsumenten zum einen echte und gefälschte Online-Apotheken nicht unterscheiden können. Zum anderen zeigt es, dass sie sich seriöse Informationen zu Arzneimitteln und deren Sicherheit wünschen. Monatlich wird hierzulande durchschnittlich 80.000 bis 130.000 Mal in Suchmaschinen nach Online-Apotheken gesucht, analysierte die EAASM im Vorfeld der Kampagne. Laut der 2008 durchgeführten EAASM-Studie „The Counterfeiting Superhighway“ sind mehr als 60 Prozent der online vertriebenen Medikamente gefälscht oder minderwertig. Diese alarmierenden Fakten haben die EAASM dazu bewegt, mit der Kampagne „Counterfeiting the Counterfeiter“ auf die Gefahren des Online-Kaufs von Arzneimitteln aufmerksam zu machen und die Besucher der Testapotheke gleichzeitig aufzuklären. Hierbei unterstützte Google die EAASM mit der Erlaubnis, auf ihren Suchmaschinenseiten Werbeanzeigen für die Testapotheke zu schalten.

Mehr als 60 Prozent aller online vertriebenen Medikamente sind gefälscht

„Mit unserer Kampagne ist es uns gelungen, einen großen Teil potenzieller Online-Käufer so weit aufzuklären, dass sie in Zukunft vorsichtiger sind“, sagt Jim Thomson, Vorsitzender der EAASM. „Für die Sicherheit der Konsumenten ist dies ein großer Erfolg.“ Europäische Zollbehörden beschlagnahmten 2008 innerhalb von zwei Monaten 34 Millionen gefälschte Arzneimittel an den Außengrenzen der Europäischen Union. Zwei Jahre zuvor stellten sie insgesamt nicht einmal ein Zehntel dieser Menge pro Jahr sicher. Für Patienten stellen die Fälschungen eine große Gefahr dar. Vielen Produkten fehlt der benötigte pharmazeutische Wirkstoff, andere sind unter so schlechten Bedingungen hergestellt, dass sie potentiell sehr giftig und im schlimmsten Fall sogar tödlich sind. Das Internet ist dabei der Hauptvertriebsweg für gefälschte oder minderwertige Arzneimittel. Zwar gelangen die Plagiate vereinzelt auch in zertifizierte Online-Apotheken oder gar Filialapotheken, der Großteil wird aber von den Herstellern über eigens dafür programmierte, illegale Online-Apotheken verkauft. „Vor allem in Ländern wie Deutschland, in denen der Online-Verkauf und Versand von Medikamenten erlaubt und beliebt ist, ist dies ein lukratives Geschäft“, so Prof. Dr. habil. Harald G. Schweim, Lehrstuhlinhaber für „Drug Regulatory Affairs“ an der Universität Bonn sowie Präsident des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) a.D. und ehemaliger Direktor des Deutschen Instituts für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI).

Schärfere Kontrollen im Netz können die Gefahren eindämmen

„Unser Versuch zeigt, dass der Handel mit Medikamenten im Internet nicht sicher genug ist“, sagt Thomson. „Es ist viel zu einfach, eine illegale Online-Apotheke so zu gestalten und zu vermarkten, dass die Kunden auf sie hereinfallen.“ Aus dem Nichts heraus und ohne ein einziges Medikament zu verkaufen, wurde die Testapotheke der EAASM innerhalb des Kampagnenzeitraums zu der am dritthäufigsten besuchten Online-Apotheke in Deutschland. „Es war erstaunlich – wären wir echte Betrüger gewesen, hätten wir über das Jahr gesehen einen Umsatz von bis zu 35 Millionen Euro generieren können, um dann einfach zu verschwinden“, so Thomson. Seriosität zu suggerieren gelingt schon mit wenigen Mitteln, wie beispielsweise ein gefälschtes EU-Zertifikat auf der Startseite zu integrieren oder die Bezahlung per Visa- oder Mastercard anzubieten. „Diese Möglichkeiten müssen unterbunden werden“, fordert Thomson, der für schärfere Gesetze und Kontrollen im Netz plädiert. Auch Online-Dienstleister wie Internetprovider, Suchmaschinenbetreiber, Kreditkarteninstitutionen und Versandunternehmen sieht die EAASM dabei in der Pflicht. „Es gäbe keinen illegalen Handel ohne die Beteiligung dieser Instanzen und auch sie haben die Pflicht, ihre Kunden zu schützen“, bekräftigt Thomson. Denn die illegalen Apotheken gewinnen Kunden sowohl darüber, dass sie in den Ergebnislisten der Suchmaschinen gefunden werden, als auch über bezahlte Anzeigen auf den Suchmaschinenseiten. Erste Gegenmaßnahmen wurden bereits getroffen. Zum Beispiel erlaubt Google in Deutschland nur zertifizierten Online-Apotheken, die keine verschreibungspflichtigen Medikamente in ihren Anzeigen und auf ihrer Startseite bewerben, bezahlte Werbeanzeigen zu schalten. „Die EAASM dankt Google für die Unterstützung und die Erlaubnis, für ihre Testapotheke ausnahmsweise Werbeanzeigen schalten zu dürfen“, so Thomson. Allerdings nutzen illegale Apotheken darüber hinaus häufig Werbemöglichkeiten auf themenverwandten Internetseiten und verschicken Spam-E-Mails. Dies erhöht ihre Chancen, in den Ergebnislisten der Suchmaschinen zu erscheinen. Die gefälschte Online-Apotheke der EAASM bediente sich – wie ihre kriminellen Vorbilder – genau dieser Mittel und zeigte, welchen Erfolg sie damit haben.

Konsumenten können sich schützen

Konsumenten können die Risiken des Online-Kaufs von Medikamenten verringern, indem sie folgende Merkmale prüfen:

   - Werden Medikamente zu einem deutlich günstigeren Preis als bei 
     ihrer Apotheke vor Ort angeboten?
   - Sind Adresse und Kontaktinformationen angegeben?
   - Wirbt die Website mit Angeboten wie "Kauf drei, bezahl' zwei" 
     oder verlangt kein Rezept?

Um ganz sicher zu gehen, sollten Konsumenten nicht nur die Apotheken auf Echtheit überprüfen, sondern auch die Medikamente selbst, rät die EAASM. So lohnt es sich, sowohl alte mit neuen Verpackungen zu vergleichen, dasselbe aber auch mit den Medikamenten selbst zu tun. Weichen Aussehen, Geruch oder Geschmack ab, ist Vorsicht geboten.

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