Wenn übermäßiger Alkoholkonsum das Nervensystem angreift, ist oftmals ein Mangel an Vitamin B1 mit im Spiel: 30 bis 80 % der Alkoholabhängigen sind unzureichend mit dem lebenswichtigen Vitamin versorgt. Das Defizit an dem Nährstoff fördert aber nicht nur alkoholbedingte Nerven- und Hirnschäden, sondern kann offensichtlich auch das unkontrollierte Trinkverhalten verstärken. US-Wissenschaftler um Ann M. Manzardo von der Universität Kansas wiesen jetzt in einer placebokontrollierten Studie mit Alkoholabhängigen nach, dass eine orale Behandlung mit der Vitamin-B1-Vorstufe Benfotiamin den Alkoholkonsum bei Frauen deutlich reduzieren kann (Drug Alkohol Depend. 2013 Dec 1;133(2):562-70).

Schon frühere tierexperimentelle Studien haben gezeigt, dass ein Vitamin B1-Mangel ein krankhaftes Trinkverhalten fördert. Offensichtlich verursacht der Nährstoffmangel Schäden im zentralen Nervensystem, die wiederum die Verhaltenskontrolle beeinträchtigen. Daher vermuteten die Wissenschaftler aus Kansas, dass eine hoch dosierte Vitamin-Therapie die gestörten Funktionen regenerieren und so die Kontrolle über das Trinkverhalten positiv beeinflussen kann.

Ann M. Manzardo und ihre Mitarbeiter behandelten 120 aktiv trinkende alkoholabhängige Männer und Frauen 24 Wochen lang entweder mit 600 mg Benfotiamin pro Tag oder mit einem Scheinmedikament (Placebo). Benfotiamin ist eine Vorstufe vom Vitamin B1, die im Darm in wesentlich höheren Konzentrationen ins Blut geschleust wird als herkömmliches Vitamin B1 (Thiamin). Im Körper wird das Provitamin dann in Vitamin B1 umgewandelt. „Diese pharmakologischen Eigenschaften des Benfotiamins erlauben einen schnellen Ausgleich eines Thiamin-Mangels“, erklären die Autoren. Die Forscher beobachteten, dass bei den mit Benfotiamin behandelten Frauen der Alkoholabusus deutlich abnahm, bei den Männern zeigte sich dieser Effekt allerdings nicht. Der durchschnittliche tägliche Alkoholkonsum der Frauen verringerte sich nach drei monatiger Therapie mit dem Provitamin um 60 %, in der Placebogruppe hingegen nur um 13 %. Dabei wurde die Vitamin-Therapie sehr gut vertragen.

Warum das weibliche Geschlecht stärker auf die Behandlung anspricht als das männliche, erklären die Forscher anhand früherer Untersuchungen. Hier habe sich gezeigt, dass alkoholkranke Frauen empfindlicher auf einen Thiamin-Mangel reagieren und schneller neurokognitive und neuropsychiatrische Folgeerscheinungen entwickeln als Männer.

In verschiedenen klinischen Studien wurde bereits nachgewiesen, dass Benfotiamin die Symptome alkoholisch bedingter Nervenschäden, der alkoholischen Neuropathie, deutlich reduzieren kann. Aber auch bei diabetesbedingten Nervenschäden (diabetische Neuropathie) wird das Provitamin erfolgreich angewendet.

„Die schwerwiegenden Folgen eines durch Alkohol verursachten Vitamin B1-Mangels werden häufig unterschätzt und sollten stärkere Beachtung finden“, kommentierte die Gesellschaft für Biofaktoren e.V. die Studienergebnisse. Denn: „Der rechtzeitige Ausgleich des Vitamin-Defizits kann für die Prognose der Patienten von großer Bedeutung sein und irreversiblen Nerven- und Hirnschäden entgegenwirken“, erklärte der Dresdner Pharmakologe Prof. Joachim Schmidt von der GfB.

In Deutschland haben rund 21 % der Menschen einen problematischen Alkoholkonsum und 3 – 4 % sind alkoholabhängig.

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