Ab sofort gilt in Deutschland wieder die Sommerzeit. Das heißt, eine Stunde früher Aufstehen ist angesagt. Und es dauert in der Regel ein paar Tage, bis sich unsere innere Uhr darauf richtig eingestellt hat. Die Umstellung auf die Sommerzeit hat aber noch einen weiteren gravierenden Nachteil: die Gefahr von Wildunfällen steigt. Warum, das verrät ihnen Torsten Reinwald vom Deutschen Jagdverband (DJV):

1. Herr Reinwald, warum kommt es in dieser Jahreszeit vermehrt zu Wildunfällen?

„Im Frühjahr haben die Pflanzenfresser Reh und Hirsch Kohldampf. Sie waren jetzt die ganze Zeit im Energiesparmodus, haben im Winter kaum was zu fressen gefunden. Jetzt sprießt das erste Grün, jetzt sind sie wieder sehr viel unterwegs, legen größere Strecken zurück, fressen so viel sie können und wandern dann natürlich auch über Straßen. Dazu kommt beim Reh, dass gerade die geschlechtsreifen Rehböcke vertrieben werden aus den Revieren von den Rivalen und sich neue Reviere suchen müssen. Und natürlich sind die auch wieder verstärkt über Straßen unterwegs. Deswegen steigt das Unfallrisiko stark an.“

2. Welche Rolle spielt die Zeitumstellung dabei?

„Die Zeitumstellung verschärft das ganze Problem. Die Pflanzenfresser sind, ja, seit Urzeiten unterwegs in der Dämmerung, weil das Schutz bietet vor Fressfeinden. Das Auto ist genetisch noch nicht verankert als Gefahr, das ist aber eine ganz große Gefahr – und wird noch eine größere Gefahr durch die Zeitumstellung. Das heißt, durch die Zeitumstellung fällt der Berufsverkehr von einem Tag auf den anderen in die Morgendämmerung, eine Zeit, wo sich die Rehe sicher fühlen und über Straßen queren – und plötzlich stehen sie vor dem Auto und es knallt eben häufiger als normal. Also, Wissenschaftler haben herausgefunden, dass der April der Monat ist mit den meisten Wildunfällen.“

3. Wie hoch ist das Risiko eines Unfalls denn zurzeit für Mensch und Tier?

„Besonders gefährlich sind Straßen entlang des Waldes, also auch an der Wald-/Feldkante. Da verläuft die Straße im übertragenen Sinne zwischen Wohnzimmer und Esszimmer der Rehe. Das heißt, im Wohnzimmer, im Wald, da übernachten sie, kommen dann in der Dämmerung raus über den Weg, über die Straße auf die Wiese zum Fressen. Das ist natürlich sehr gefährlich. Und ebenso gefährlich sind Straßen durch den Wald. Deswegen empfiehlt es sich einfach, auf solchen Straßen langsamer zu fahren. Also, wenn ich statt 100 nur 80 Stundekilometer schnell fahre, komme ich nicht weniger schnell ans Ziel, habe aber einen 35 Meter kürzeren Bremsweg – und das reicht meistens aus, um eine Kollision zu verhindern.“

4. Was kann ein Autofahrer tun, wenn zum Beispiel plötzlich ein Reh auf der Straße auftaucht?

„Wir sagen ganz klar: Ein kontrollierter Zusammenprall ist immer besser als ein unkontrolliertes Ausweichmanöver. Wir haben jedes Jahr über 1.000 Unfälle, wo Menschen das Auto an den Baum setzen und dabei tödlich verunglücken. Die Unfallursache ist größtenteils ungeklärt. Wir gehen davon aus, dass da oft Wildwechsel auch eine Rolle spielen. Wenn Wild auf der Straße unvermittelt auftaucht, dann heißt das: Lenkrad festhalten und bremsen. Wenn natürlich noch Zeit genug besteht, nach Möglichkeit vorher abblenden, damit das Tier überhaupt die Möglichkeit hat, zu fliehen. Und eben auch zu hupen, damit das Tier die Straße verlässt. Ganz wichtig: Ein Reh oder ein Wildschwein kommt selten allein. Das heißt, wenn ein Tier an der Straße auftaucht, ist damit zu rechnen, dass auf 50/100 Meter noch ein paar andere Tiere im Gebüsch lauern und auch über die Straßen wollen.“

5. Wie viele Wildunfälle gibt’s eigentlich im Durchschnitt jedes Jahr in Deutschland?

„Wir haben ungefähr 200.000 bis 250.000 Wildunfälle jedes Jahr mit Paarhufern, also Hirsch, Reh und Wildschwein. Der Trend ist ungebrochen steigend. Wir haben jetzt 2013 gegenüber dem Vorjahr wieder eine Steigerung von 1,6 Prozent gehabt. Das liegt hauptsächlich an dem erhöhten Verkehrsaufkommen. Wir haben seit 1975 eine Vervierfachung des Verkehrsaufkommens – und im gleichen Zeitrauem eine Verfünffachung der Wildunfälle. Hier muss unbedingt Abhilfe geschaffen werden, zum Beispiel durch Querungshilfen wie Grünbrücken, damit Tiere wieder sicher den Weg über die Straße finden.“

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