In der Debatte um die Reform der Krankenversicherungen sorgen neue Zahlen für Sprengstoff: Nach einer exklusiven Umfrage für das Magazin Reader’s Digest (Juli-Ausgabe) plädieren 58 Prozent der Deutschen dafür, dass sich alle Bürger in der gesetzlichen Krankenversicherung versichern müssen – also auch Selbstständige, Besserverdienende und Beamte. Die Mehrheit der Bürger empfindet es offenbar als ungerecht, dass diese Berufsgruppen aus dem Solidarsystem ausscheren und sich privat versichern können. Vor allem in den östlichen Bundesländern sind sieben von zehn Befragten für die Abkehr von den privaten Kassen. Das Meinungsforschungsinstitut Emnid befragte 1005 repräsentativ ausgewählte Personen.

Seit Jahren reißen die Diskussionen um die Zwei-Klassen-Medizin nicht ab. Die Umfrage für das Magazin Reader’s Digest ergab, dass 48 Prozent einen Versicherungsbeitrag fordern, der sich am Einkommen orientiert. Nur 10 Prozent plädieren für die sogenannte Kopfpauschale, bei der jeder Bürger unabhängig vom Einkommen denselben Beitrag bezahlt. Aus Sicht von Prof. Michaela Wänke vom Lehrstuhl für Konsumentenpsychologie an der Universität Mannheim sind die Umfrageergebnisse ein klares Signal: „Wie es scheint, finden die meisten Deutschen es richtig, dass Menschen mit höherem Einkommen auch mehr zur Allgemeinheit beitragen.“

Doch so groß der Wunsch nach Reformen ist, Experten erwarten Steigerungen bei den Kassenbeiträgen. Zwar wird zum 1. Januar 2015 der Beitrag der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer zur gesetzlichen Krankenversicherung auf 7,3 Prozent sinken, doch die Kassen dürfen danach den Versichertenbeitrag selbstständig erhöhen. „Das bedeutet, dass Kostensteigerungen in Zukunft allein zulasten der Versicherten gehen“, sagt Kai Vogel, Leiter des Teams Gesundheit beim Bundesverband der Verbraucherzentralen, in der Juli-Ausgabe von Reader’s Digest. Er geht davon aus, dass einige Kassen ihre Sätze 2015 wieder erhöhen werden. Dabei ergab die Umfrage, dass 63 Prozent der Deutschen den aktuellen Beitragssatz von 15,5 Prozent des Einkommens gerade noch für „akzeptabel“ halten.

Immerhin 35 Prozent der Befragten können sich vorstellen, bis zu 20 Prozent ihres Einkommens zu bezahlen, damit der Standard der medizinischen Versorgung erhalten bleibt. „Die Angst vor gravierenden Krankheiten, die jeden treffen können, bewegt Menschen dazu, im Notfall auch mehr zu bezahlen, um abgesichert zu sein“, meint Gesundheitsexperte Vogel. Müssten Leistungen der gesetzlichen Krankenkassen gestrichen werden, könnten die meisten (63 Prozent) auf nicht lebensnotwendige Arzneimittel verzichten. Kuren (43 Prozent), Hilfsmittel wie Hörgeräte (41 Prozent), Vorsorgeuntersuchungen (39 Prozent) und Zahnersatz (35 Prozent) folgen. Hingegen werden Sparmaßnahmen bei Organtransplantationen zu 76 Prozent abgelehnt.

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