Ergebnis des diesjährigen Psychotherapeutentags spaltet die Berufsgruppe. Berufsverband warnt vor verheerenden Konsequenzen einer Ausbildungsreform und appelliert an Bundesgesundheitsminister.

Auf dem diesjährigen Psychotherapeutentag wurde um die Zukunft der Psychotherapeutenausbildung gerungen. Zukünftig sollen Psychotherapeuten unmittelbar nach einem Psychotherapie-Studiengang tätig werden können – ohne praktische Erfahrung. Die fundierte Psychotherapeuten-Ausbildung soll abgeschafft werden. Dabei wurden weder die Qualität der Psychotherapie-Ausbildung noch andere inhaltliche Gründe vorgebracht. Vielmehr wurde eine vermeintliche Not der Psychotherapeuten in Ausbildung (PiA) für die Zwecke der basalen Direktausbildung instrumentalisiert.

Der Deutsche Psychotherapeutentag ist das Parlament der über 40.000 approbierten Psychotherapeuten in Deutschland. Er vergibt der Bundespsychotherapeutenkammer berufs- und gesundheitspolitische Aufträge. Er ist auch zuständig für die in der Minderheit befindlichen Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten.

Lediglich die Gleichstellung der Psychotherapeuten mit den Ärzten spielte bei der Abstimmung eine Rolle. Aus rein berufspolitischen Beweggründen wurde ein Mehrheitsbeschluss gefasst, der zukünftige Psychotherapeuten erschafft, die unmittelbar nach dem Studium und ohne entsprechende praktische Erfahrung psychotherapeutisch tätig werden sollen. Nicht mehr die Zugänge aus Psychologie und (Sozial-)Pädagogik führen zur Psychotherapie-Ausbildung, sondern ein eigener, noch zu schaffender Psychotherapie-Studiengang.

Über die damit einhergehenden Konsequenzen und Gefahren einer basalen Direktausbildung wurde unter der Prämisse „Reform jetzt, sonst geht die Psychotherapeutenschaft unter!“ hinweggefegt. Die Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK) erhielt von den Delegierten mit einer 2/3 Mehrheit (86 von 128 Stimmen) den Auftrag, sich gegenüber dem Bundesministerium für Gesundheit für eine basale Direktausbildung stark zu machen.

Statusdenken und Bezahlung waren letztlich ausschlaggebend für eine Mehrheit, die sich für die Abschaffung der in Europa einmaligen, hochqualifizierten Ausbildung in Psychotherapie ausgesprochen hat. Es bleibt zu hoffen, dass die Bundesregierung diesen Mehrheitsbeschluss nicht als Auftrag versteht und stattdessen die bewährte Psychotherapeutenausbildung schützt bzw. für alternative Konzepte (Reform der post-graduierten Ausbildung, duale Direktausbildung) offen bleibt.

Mangelnde Berufspraxis, fehlende Weiterbildungsmöglichkeiten an den Kliniken und enorme Kostensteigerungen wären die Folge einer Reform zur basalen Direktausbildung. Mit der basalen Direktausbildung entsteht die reale Gefahr einer Zwei-Klassen-Gesellschaft unter Psychotherapeuten: Jene, die es schaffen, nach dem Direktstudium einen der raren Weiterbildungsplätze zu ergattern, erwerben darüber die Fachkunde und steigen zu vollwertigen Fachpsychotherapeuten auf. Die anderen, die diesen Schritt nicht gehen können, bleiben Assistenzpsychotherapeuten, mit Approbation (d.h. mit staatlicher Zulassung zur Heilberufsausübung), jedoch ohne vertiefte Fachkenntnisse in einem Richtlinienverfahren.

Die Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie und Familientherapie dgkjpf lehnt diesen Beschluss entschieden ab und spricht dem DPT das moralische Recht ab, für die Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten zu sprechen. Sie fordert den Gesundheitsminister auf, die Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie von dem Reformprozess abzukoppeln, deren post-graduierte Ausbildung zu belassen und den Zugang dazu weiterhin Sozialpädagogen und Pädagogen zu ermöglichen. Sie weist darauf hin, dass es unverantwortlich sei, die höchst komplexe und anspruchsvolle Psychotherapie-Ausbildung in ein Hochschulstudium umzuwandeln. Die praktische Behandlungskompetenz könne nicht unkoordiniert einem ‚Fleckenteppich‘ diverser Weiterbildungseinrichtungen, die unter Landes- und nicht Bundeshoheit stehen, überlassen werden. So kann z. B. tiefenpsychologische und psychoanalytische Psychotherapie bei Kindern und Jugendlichen auf keinen Fall auf dem durch den Beschluss vorgegebenen Weg erlernt werden – auch wenn eine kleine Gruppe psychodynamischer (erwachsenentherapeutischer) Hochschullehrer dies behauptet.

Quellen:
Appell – Facharztstatus für Psychologische Psychotherapeuten – dafür bringen wir jedes Opfer.

Sulz S. Richter-Benedikt A. (2014): Weshalb Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie als Beruf nicht abgeschafft werden darf. In Sulz S. (Hrsg. 2014): Psychotherapie ist mehr als Wissenschaft. Wird psychotherapeutisches Expertentum durch eine Reform gefährdet? München: CIP-Medien, s. 272-287.

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