Kinder in Deutschland sitzen länger vor dem Bildschirm als gut für sie ist, und die meisten Kinder bewegen sich zu wenig. Das zeigen Zahlen des DKV-Reports „Wie gesund lebt Deutschland?“ 2015, der heute in Berlin veröffentlicht worden ist. Erstmals enthält der DKV-Report 2015 eine Befragung von 300 Eltern zur Mediennutzung und zum Gesundheitsverhalten ihrer 6-12 jährigen Kinder.

Nur ein Viertel der Kinder hält sich demnach an die Empfehlung, nicht länger als eine Stunde pro Tag Bildschirmmedien zu nutzen. Drei Viertel der Kinder sehen also länger fern, spielen Computerspiele oder surfen im Internet als empfohlen. 72 Prozent der Kinder haben sogar einen eigenen Fernseher im Kinderzimmer, 50 Prozent einen Internetzugang. „Überlange Mediennutzung ist nicht nur eine Reizüberflutung für die Kinder. Sie sorgt auch meistens dafür, dass die Kinder viel zu lange stillsitzen“, erklärte Ingo Froböse, Professor an der Deutschen Sporthochschule Köln und wissenschaftlicher Leiter des DKV-Reports.

Langes Sitzen und zu wenig Bewegung

An Wochentagen sitzen Kinder durchschnittlich etwa vier Stunden, und zwar zusätzlich zum Schulunterricht. Der wichtigste Grund fürs Sitzen ist das Fernsehen. Etwa 60 Prozent der Kinder sehen täglich eine Stunde und mehr fern, am Wochenende zwei Stunden und mehr. Außerdem sitzen Kinder bei den Hausaufgaben, im Bus oder Auto, vorm Computer oder in der sonstigen Freizeit. „Kinder wachsen praktisch im Sitzen auf und kopieren den ungesunden Lebensstil ihrer Eltern“, sagte Clemens Muth, Vorstandsvorsitzender der DKV.

Zu den langen Sitzzeiten kommt bei vielen Kindern ein grundsätzlicher Mangel an Bewegung. Mindestens eine Stunde pro Tag sollten Kinder toben, Ball spielen, Rad fahren oder ähnliches. Aber nicht einmal jedem zweiten Kind gelingt das. 18 Prozent der Kinder schaffen die eine Stunde Aktivität nur an zwei Tagen pro Woche oder weniger. „Spätestens in der Grundschulzeit haben die Kinder verinnerlicht, dass sowohl Schule als auch Freizeit vor allem im Sitzen stattfinden“, so Muth. Dabei sind Grundschulkinder in einer sensiblen Entwicklungsphase, in der sie Bewegung brauchen, für die körperliche Entwicklung, aber auch für die geistige und soziale.

Neun Prozent der Jungen mit ADHS-Diagnose

Mittlerweile sind 15 Prozent der Kinder in Deutschland übergewichtig, sechs Prozent sogar adipös. Und zu viele Kinder gelten als krankhaft hyperaktiv. Das legen auch Zahlen der DKV nahe: Bis zum zwölften Lebensjahr haben neun Prozent der bei der DKV versicherten Jungen mindestens einmal die Diagnose Aufmerksamkeits-Defizit-Hyperaktivitäts-Störung (ADHS) bekommen. „ADHS ist keine Modekrankheit“, erklärt der leitende Arzt der DKV, Wolfgang Reuter. „Aber ich fürchte, dass wir gelegentlich Kinder fehldiagnostizieren, weil sie ihren Bewegungsdrang nicht kindgerecht ausleben können oder weil die Reizüberflutung vor großen und kleinen Bildschirmen ihren Beitrag leistet. Hier werden manchmal vom Arzt nicht alle Diagnosekriterien genau überprüft oder hinter den Symptomen der Hyperaktivität nicht mehr nach möglichen anderen Ursachen gesucht. Das macht mir Sorgen.“

Muth betonte die Verantwortung und Vorbildfunktion der Eltern. Aber auch die Schulen könnten mehr dafür tun, dass die Kinder regelmäßig Bewegung bekommen. „Täglicher Schulsport ist eine gute Idee, auch Bewegungspausen, die das Sitzen unterbrechen. Ich bin mir sicher, dass die Schulen hier noch viel besser werden können“, so Muth. Die ERGO Versicherungsgruppe fördert den Schulsport im Rahmen der Initiative „Klasse in Sport“ an 26 Grundschulen bundesweit.

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