Der kanadische Produzent von medizinischen Cannabisprodukten, Tilray, hat vor einem Jahr – im Oktober 2017 – als erster Hersteller Vollspektrum-Cannabisextrakte in pharmazeutischer Qualität auf den deutschen Markt gebracht. Der therapeutische Einsatz von Cannabis-Produkten entwickelt sich insgesamt sehr positiv. Dazu beigetragen hat vor allem die Gesetzesänderung vom 10. März 2017.*

Prof. Dr. Dr. Joachim Nadstawek, Schmerzmediziner und Vorstandsvorsitzender des Berufsverbands der Ärzte und Psychologischen Psychotherapeuten in der Schmerz- und Palliativmedizin in Deutschland (BVSD e.V.) begrüßt die Entwicklung: „Tatsächlich ist Cannabis für viele Schmerzpatienten eine wirksame therapeutische Option.“

Die Vollspektrum-Extrakte von Tilray ermöglichen es Ärzten jeder Fachrichtung (außer Zahnmedizin bzw. Tiermedizin), cannabisbasierte Rezepturarzneimittel zu verschreiben. Voraussetzung ist, dass es sich um Patienten mit einer schwerwiegenden Erkrankung handelt, für die andere Therapien nicht zur Verfügung stehen oder nach Einschätzung des behandelnden Arztes nicht zum Einsatz kommen können. Darüber hinaus muss ein positiver Effekt auf die Erkrankung und ihre Symptome zu erwarten sein. Der Genehmigungsprozess läuft folgendermaßen ab: Verordnet der Arzt die Behandlung mit einem Cannabis-Produkt, erhält der Patient ein Betäubungsmittelrezept (BtM-Rezept). Vor der erstmaligen Anwendung muss er bei seiner Krankenkasse einen Antrag auf Kostenübernahme stellen. Diese muss innerhalb von drei Wochen entscheiden; wenn der medizinische Dienst einbezogen wird, sind es fünf Wochen. Bei Palliativpatienten darf das Genehmigungsverfahren nicht länger als drei bzw. fünf Tage dauern. In durchschnittlich 65% der Fälle werden die Anträge mittlerweile angenommen. Insgesamt konnte im Laufe des letzten Jahres eine konstante Zunahme an Bewilligungen durch die GKVen verzeichnet werden.**

Tilray-Produkte werden in der Apotheke individuell zubereitet

Bei den Tilray-Produkten handelt es sich um pflanzliche, dosier- und titrierbare Cannabisextrakte (als Bulkarzneimittel), die neben den beiden Hauptwirkstoffen Tetrahydrocannabinol (THC) und Cannabidiol (CBD) sämtliche weitere Wirkstoffe der Cannabisblüten enthalten. Ein Merkmal der Vollspektrum-Extrakte ist, dass sie weder geraucht noch inhaliert, sondern in der Apotheke für den individuellen Bedarf der Patienten als orale Darreichung (nach Verordnung des Arztes) zubereitet werden.

In der Apotheke muss zuvor eine Identitätsprüfung vorgenommen werden. Die Anforderungen hierfür sind in der Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) geregelt. Die Prüfung der Cannabis-Vollextrakte kann analog der DAC-Monographie „Eingestelltes, raffiniertes Cannabisölharz“ (C-054) erfolgen. Dabei müssen die Vorschriften nach B und C berücksichtigt werden. Beide Prüfungen stellen dünnschichtchromatographische Analysen (DC) dar.

„Das Verfahren einer Identitätsprüfung dient der Qualitätssicherung der Rezepturarzneimittel, die somit durch die Pharmazeuten gewährleistet wird,“ betonte Pharmazeut Dr. Dennis Stracke, Berlin.

Die umfangreichen Kontrollmechanismen setzen allerdings schon lange vor der Identitätsprüfung in der Apotheke ein: Die für Deutschland vorgesehenen Tilray-Produkte sind bereits vor Markteintritt von allen zuständigen deutschen Behörden entsprechend der Vorgaben des Arzneimittelgesetzes (AMG) und des Betäubungsmittelgesetzes (BtMG) genehmigt und im Zuge dessen auch die Herstellungsprozesse GMP-zertifiziert worden. Darüber hinaus wurden im Rahmen der Reanalyse in einem deutschen Labor die Produkte aufwändig geprüft und damit ihre pharmazeutische Qualität von unabhängiger Stelle bestätigt.

Daneben wird auch die allgemeine Datenlage für Cannabis-Produkte weiter ausgebaut: So wurden im Rahmen einer Auswertung der verfügbaren Fachliteratur 28 randomisierte, klinische Studien zum medizinischen Einsatz von Cannabis analysiert, die zwischen 1948 und 2015 publiziert wurden. Zahlreiche Studien zeigten positive therapeutische Effekte bei einer Reihe von Indikationen.*** Die Ausgangslage der Daten ist vielversprechend, dennoch sind weitere Studien zur Wirkungsweise der einzelnen Bestandteile von Cannabis sinnvoll und wichtig. Daher hat es sich Tilray zur Aufgabe gemacht, in die Erforschung der medizinischen Anwendung von Cannabis zu investieren.

„Tilray war das erste Unternehmen, das Patienten in Deutschland GMP-zertifizierte Cannabisextrakte anbieten konnte. Wir sind stolz auf diesen Meilenstein und darauf, im vergangenen Jahr eine stetig steigende Zahl an Patienten versorgt zu haben. Unsere wichtigste Aufgabe sehen wir darin, Patienten durch wissenschaftliche Forschung schnellstmöglich zu mehr Lebensqualität zu verhelfen. In Kooperation mit führenden Krankenhäusern und Universitäten arbeiten wir daran, die klinische Anwendung von Cannabinoiden voranzubringen. Wir investieren in Forschungs- und Entwicklungsprojekte auf fünf Kontinenten, um diese Ziele zu erreichen,“ erklärt Brendan Kennedy, CEO von Tilray.

* Gesetz zur Änderung betäubungsmittelrechtlicher und anderer
Vorschriften. Bundesgesetzblatt 2017.
** Sonderbeilage zur GKV-Arzneimittel-Schnellinformation für
Deutschland nach § 84 Abs. 5 SGB V. Datenstand: 30.08.2018.
*** Baker D et al., The therapeutic potential of cannabis. Lancet
Neurol 2003 May; 2(5):291-8.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.