Der Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien (BITKOM) hat vor weiteren Verzögerungen bei der Einführung der elektronischen Gesundheitskarte gewarnt. „Zeitkritisch ist derzeit die Ausschreibung der zentralen IT-Infrastruktur, insbesondere des Datennetzes, durch die Betriebsorganisation Gematik“, sagte BITKOM-Präsident Prof. August-Wilhelm Scheer anlässlich des 111. Deutschen Ärztetages.

Bis zur Vergabe des Auftrags vergeht bei IT-Projekten dieser Größenordnung etwa ein Jahr. Ebenfalls überfällig sind Vereinbarungen zwischen Krankenkassen und Ärzten darüber, wer die Kosten für die technische Ausrüstung der Arztpraxen übernimmt. Ursprünglich sollte die Karte schon im Jahr 2006 an die Versicherten ausgegeben werden. Gegensätzliche Interessen der Ärzte, Apotheker, Krankenkassen und Kliniken machten den Zeitplan aber zunichte. Der BITKOM forderte die Ärzteschaft auf, sich konstruktiv am Aufbau des Systems zu beteiligen. Viele Ärzte scheuen die notwendigen Investitionen in die Kartentechnik und fürchten, die Daten der Patienten seien nicht sicher.

„Die Sorgen der Ärzte sind unbegründet“, sagte Scheer. „Die Investitionskosten für die Praxen amortisieren sich mittelfristig. Und gegenüber den heute gängigen Verfahren im Umgang mit Patientendaten ist die elektronische Gesundheitskarte ein Quantensprung für mehr Sicherheit.“ Sollen Daten von der Karte abgerufen werden, greifen mehrere Schutzmechanismen. Zum einen muss sich der Arzt mit seinem elektronischen Heilberufsausweis beim Lesegerät anmelden, zum anderen der Patient mit seiner Gesundheitskarte. Darüber hinaus ist es erforderlich, dass beide ihre persönliche PIN-Nummer eingeben – wie bei einem Geldautomaten. Ausgenommen davon sind nur Notfalldaten. Gerät der Versicherte in eine Notsituation, können Ärzte oder Sanitäter diese Informationen, zum Beispiel Arzneimittelunverträglichkeiten, sofort auslesen. Krankenkassen oder andere Institutionen dürfen die gespeicherten Informationen nicht abrufen.

Zudem kann jeder Einzelne individuell entscheiden, welche Informationen auf der neuen Karte hinterlegt werden und welcher Arzt sie nutzen darf. „Die gesetzlichen Bestimmungen gewährleisten, dass der Patient die Hoheit über seine Daten bekommt“, sagte Scheer. Nach Angaben der Datenschutzbeauftragten von Bund und Ländern werden die Anforderungen des informationellen Selbstbestimmungsrechts durch die elektronische Gesundheitskarte geradezu vorbildlich umgesetzt. Sie haben bereits 2003 in einer gemeinsamen Erklärung betont, dass die Gesundheitskarte und die gespeicherten Informationen der Verfügungsgewalt der Patienten unterliegen.

In der Bevölkerung stößt die elektronische Gesundheitskarte auf großes Interesse. Nach der Einführung der neuen Karte wollen 93 Prozent der Bundesbürger persönliche medizinische Daten auf der Karte speichern. Mit den bisherigen Chipkarten der Versicherten ist dies nicht möglich. Nur 5 Prozent der Deutschen lehnen die neuen Möglichkeiten ab, 2 Prozent sind sich unsicher. Das hat eine Erhebung des Marktforschungsinstituts Forsa im Auftrag des BITKOM ergeben. 1001 Bürger ab 18 Jahren wurden Ende 2007 repräsentativ befragt. „Die Gesundheitskarte wird die Versorgung der Patienten verbessern. Sind Daten zu eingenommenen Medikamenten gespeichert, verringern sich zum Beispiel die Gefahren durch Wechselwirkungen“, sagte Scheer. Leichte Unterschiede gibt es bei der Frage, welche Informationen hinterlegt werden sollen. Groß ist das Interesse besonders an Notfalldaten. Insgesamt 90 Prozent der Deutschen wollen sie speichern. Bei Impfungen sind es 84 Prozent, bei Medikamenten 78 Prozent, bei Rezepten 66 Prozent und bei Erkrankungen 62 Prozent. Nach konservativen Schätzungen ermöglicht die elektronische Gesundheitskarte Einsparungen von jährlich über 500 Millionen Euro im Gesundheitswesen.

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