Nicht nur Erwachsene, auch Kinder und Jugendliche können unter einer erworbenen Sprachstörung (Aphasie) leiden. „Wir schätzen, dass hiervon in Deutschland jährlich etwa 3000 junge Menschen unter 15 Jahren betroffen sind“, so die Geschäftsführerin des Bundesverbandes für die Rehabilitation der Aphasiker e.V., Dagmar Amslinger.
„Aphasie ist eine erworbene Beeinträchtigung des Sprechens, Verstehens, Schreibens oder Lesens, die infolge einer Schädigung des Gehirns eintritt. Bei Kindern ist die häufigste Ursache für eine Aphasie ein Schädel-Hirn-Trauma (SHT), während bei Erwachsenen meist ein Schlaganfall zugrunde liegt“, so Dietlinde Schrey-Dern, Präsidentin des Deutschen Bundesverbandes für Logopädie e.V. (dbl).
Der größte Unterschied ist jedoch, dass Kinder im Vergleich zu Erwachsenen noch mitten in der Entwicklung, je nach Alter auch mitten in der Sprachentwicklung sind. Das heißt: Neben dem Verlust von bereits erworbenen sprachlichen Fähigkeiten müssen betroffene Kinder neben der verlorenen Sprache auch neue sprachliche und außersprachliche Fähigkeiten dazulernen.
Nicht zu unterschätzen sind auch die psychosozialen Auswirkungen einer kindlichen Aphasie. Wenn die Sprache versagt, ist es für die betroffenen Kinder schwer, ihre Bedürfnisse mitzuteilen. Oft ziehen sich Freunde zurück, weil sie nicht wissen, wie sie mit der Erkrankung umgehen sollen. Dies kann dazu führen, dass betroffene Kinder aggressiv oder depressiv werden oder andere Verhaltensauffälligkeiten entwickeln. Eltern und Angehörige sind dann oft hilflos.
Gravierend sind auch die Folgen einer Aphasie für den Schulbesuch der Kinder. Sie haben hier nicht nur mit Beeinträchtigungen der gesprochenen Sprache zu kämpfen, sondern auch mit dem Lesen und Schreiben. Studien zeigen, dass Störungen des Schriftspracherwerbs bei kindlichen Aphasien fast immer anzutreffen und auch stärker ausgeprägt sind als in der gesprochenen Sprache. Viele Betroffene leiden deshalb an Lese- und Rechtschreibstörungen, die den Schulerfolg in Frage stellen können.
„Dies alles sind große Herausforderungen an die jungen Patienten, die deshalb auf eine bestmögliche und frühzeitige Unterstützung und Hilfe angewiesen sind“, weiß Dagmar Amslinger. Dazu gehören:
Kindern mit einer Aphasie müssen schnell alternative Kommunikationssysteme angeboten werden, damit sie sich und ihre Bedürfnisse trotz eingeschränkter Sprachfertigkeiten mitteilen können. Eltern, Geschwister und Freunde brauchen Beratung und Informationen, wie sie mit der Erkrankung umgehen und das betroffene Kind beim Heilungsprozess unterstützen können. Eine gute Möglichkeit bieten hier die Familienseminare des Bundesverbandes Aphasie unter aphasiker-kinder.de.
Wichtig ist auch eine differenzierte logopädische Diagnostik unter Einbeziehung aller Stellen, die den Verlauf der Aphasie möglichst genau aufklären können (medizinische Stellen, Schule, Angehörige usw.). Dabei sollten die Therapeuten möglichst Erfahrungen mit kindlichen Aphasien haben.
Bei der logopädischen Therapie muss nicht nur die Wiedererlangung der vor der Aphasie vorhandenen Fähigkeiten, sondern auch die Stimulierung der Fähigkeit zum Neu-Lernen im Zentrum stehen. Es muss gewährleistet sein, dass die Therapie insbesondere in der Anfangszeit in ausreichender Intensität von Logopäden mit einschlägigen Erfahrungen durchgeführt wird. Eine bundesweite Logopäden-Suchoption ist auf der Seite www.dbl-ev.de eingestellt.