Die Kritik der Europäischen Union an der Überwachung der Flugtauglichkeitszeugnisse von Piloten durch das Luftfahrtbundesamt (LBA) ist weitaus massiver als bisher bekannt. Das geht aus einem vertraulichen Untersuchungsbericht der EU-Flugsicherheitsagentur European Aviation Safety Agency (EASA) vom 30. September 2014 hervor, den das ARD-Politikmagazin „Report Mainz“ einsehen konnte. In der Zusammenfassung des Berichts heißt es: „Das LBA hat nicht die Kompetenz, um seine Verantwortlichkeit als Überwachungsbehörde im medizinischen Bereich zu erfüllen.“
In dem mit „Standardisation Inspection Final Report GERMANY“ überschriebenen Bericht listet die EASA im medizinischen Bereich insgesamt 13 Fälle von „non-compliance findings“ auf, also Bereiche, in denen die deutsche Verwaltungspraxis nicht mit EU-Recht übereinstimme. Kernpunkt der Kritik ist, dass das LBA mangels medizinischer Daten der Piloten keine EU rechtskonforme Kontrolle ausübe. Wörtlich heißt es: „Die Behörde stellt nicht sicher, dass die AMEs [Fliegerärzte] und die AeMCs [flugmedizinische Zentren] medizinische Dokumente zur Verfügung stellen und integriert in ihre Datenverwaltung keine Details von flugmedizinischen Untersuchungen und Bewertungen, die von AMEs oder AeMCs eingereicht werden. Ein Überprüfungsmechanismus wurde vom LBA nicht eingeführt.“
Brisant ist dabei der Vorwurf, die Arbeit des medizinischen Personals im Luftfahrtbundesamt werde quasi behördenintern ausgebremst. Wörtlich heißt es: „Das von der Behörde mit der Aufsicht der AMEs und AeMCs beauftragte medizinische Personal wird aktiv davon abgehalten, medizinische Dokumente, Daten, Verfahren und jegliches andere Material zu untersuchen und Kopien oder Auszüge solcher Dokumente anzufertigen, die für die Ausführung der Aufsicht relevant sind.“
Auf Anfrage von „Report Mainz“ wollte sich das Luftfahrtbundesamt nicht zu Einzelheiten des Berichts äußern. In einer schriftlichen Stellungnahme heißt es, Beanstandungen seien „gegenüber EASA erwidert worden und werden nun bei der EASA bewertet“. Laut dem Untersuchungsbericht verweist das LBA auf in Deutschland geltende Datenschutz-Vorschriften, die nur die Weitergabe von anonymisierten Daten erlaube. Dem widersprechen die EU-Inspekteure, indem sie ihrerseits anzweifeln, ob die deutsche Auslegung des Datenschutzes EU-Regeln entspricht.
Das Bundesverkehrsministerium wollte sich gegenüber „Report Mainz“ nicht zu Details des EASA-Berichts äußern. In einer schriftlichen Stellungnahme heißt es: „Beanstandungen im Rahmen der Audits sind gegenüber EASA erwidert worden und werden nun bei der EASA bewertet. Es handelt sich um einen laufenden Prozess und einen normalen Vorgang.“
Der EASA-Bericht führt weitere Kritikpunkte auf. So gebe es beispielsweise kein Verfahren, um Flugtauglichkeitszeugnisse von Piloten für ungültig zu erklären, wenn sich Flugmediziner nicht regelkonform verhielten. Das Luftfahrtbundesamt wisse nicht einmal, wie viele Tauglichkeitszeugnisse deutsche Fliegerärzte für Piloten anderer Länder ausstellten. Zudem herrsche im LBA ein „chronischer Personalmangel“.
Die Überwachung der Pilotentauglichkeit hat seit dem Unglück der Germanwings-Maschine, das vom Co-Piloten offenbar bewusst herbei geführt wurde, neue Brisanz bekommen.