Die Verbraucherorganisation foodwatch hat den heute von Bundesernährungsminister Christian Schmidt vorgelegten Gesetzentwurf zur Information der Öffentlichkeit über Lebensmittel als unzureichend kritisiert. „Der Ministerentwurf ist gespickt mit Ausnahmetatbeständen und Ermessensspielräumen. Ein solches Gesetz kann die gravierenden Probleme nicht lösen: Damit würden die Verbraucher auch in Zukunft nicht verlässlich und schnell über Hygienemängel, Betrugsfälle oder Ergebnisse von Lebensmittelkontrollen informiert“, erklärte der stellvertretende foodwatch-Geschäftsführer Matthias Wolfschmidt. Minister Schmidt hat seine Vorschläge für eine Novellierung des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuches (LFGB) am heutigen Dienstag öffentlich gemacht.
Um zu erreichen, dass Behörden Verbraucher künftig schneller, umfassender und aktiv über Lebensmittel und Zustände in den Lebensmittelbetrieben informieren, hat foodwatch unmittelbar vor der Verbraucherschutzministerkonferenz in Osnabrück (6. – 8. Mai) einen eigenen Gesetzentwurf vorgelegt. Dieser lag Herrn Schmidt wie auch Bundesjustizminister Heiko Maas bereits seit Januar vor. Nach dem foodwatch-Entwurf müssten die Behörden ihr Wissen verbindlich „aktiv und systematisch“ mit der Öffentlichkeit teilen. Vor allem bei gesundheitsgefährdenden oder aus anderen Gründen zum Verzehr ungeeigneten Produkten wären Behörden verpflichtet, „gesondert und unverzüglich“ bereits dann zu informieren, „wenn ein durch Tatsachen begründeter Verdacht“ für einen Verstoß gegen das Lebensmittelrecht besteht. Amtlich erhobene Messdaten und Ergebnisse der Lebens- und Futtermittelkontrollen würden zudem grundsätzlich öffentlich gemacht. Der foodwatch-Entwurf verzichtet auf Ermessensspielräume für die Behörden, um für Verbraucher, Behörden und Unternehmen Rechtssicherheit zu schaffen.
„Die Geheimniskrämerei der Behörden ist unnötig und schadet sowohl den Verbrauchern als auch den ehrlichen, sauber arbeitenden Betrieben“, erklärte Matthias Wolfschmidt von foodwatch. „Nur konsequente Transparenz sorgt dafür, dass Verbraucher die schlechten Betriebe meiden und die guten belohnen können – und schafft einen Anreiz für alle Unternehmen, sich an lebensmittelrechtliche Vorgaben zu halten. Betrug und ein laxer Umgang mit der Hygiene sind heute viel zu attraktiv.“
Union und SPD hatten sich bereits in ihrem Koalitionsvertrag auf eine Novelle des einschlägigen Paragraphen 40 („Information der Öffentlichkeit“) im deutschen Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch (LFGB) verständigt.
Den Behörden – auch den auskunftswilligen – fehlt bislang die Rechtssicherheit für eine umfassende, aktive Informationspolitik. Die Folgen sind mal absurd, mal fatal:
– Beim Pferdefleischskandal hatten Behörden durch eigene
Laboranalysen Produkte ausfindig gemacht, die ungekennzeichnetes
Pferdefleisch enthielten – sie durften die Namen der Produkte
jedoch nicht nennen. Damit konnten die Verbraucher nicht wirksam
vor Betrug und möglichen Gesundheitsgefahren geschützt werden,
obwohl die Betrugsnachweise eindeutig vorlagen.
– Bei den amtlichen Lebensmittelkontrollen wird jeder vierte
Betrieb beanstandet – eine Quote, die Jahr für Jahr in diesem
hohen Bereich liegt. Dänemark dagegen ist es durch die
Veröffentlichung der Kontrollergebnisse für jeden Betrieb
gelungen, seine Beanstandungsquote drastisch zu reduzieren. Weil
die Verbraucher in Deutschland nicht erfahren, ob und ggf. aus
welchem Grund ein Betrieb beanstandet wurde, haben sie keine
Möglichkeit, zum Beispiel Restaurants mit schlechter
Betriebshygiene zu meiden.
– Behörden, die über Kontrollergebnisse informieren wollen, müssen
mit Klagen rechnen (wie bei Kommunen in Nordrhein-Westfalen oder
in Berlin-Pankow) und scheuen daher in der Regel eine
Veröffentlichung. Das Beispiel Dänemark zeigt jedoch, dass eine
europarechtlich haltbare Lösung möglich ist, wenn die
gesetzliche Grundlage dafür geschaffen wird.
– In vielen Fällen wissen die Kontrollbehörden über einen langen
Zeitraum hinweg über Hygienemängel Bescheid – ohne die
Verbraucher zu schützen. Für Schlagzeilen sorgte beispielsweise
der Fall der bayerischen Großbäckerei Müller, die 2012 ihre mit
Mäusekot und Speiseresten verdreckten Produktionsanlagen
schließen musste. Die Behörden hatten über Jahre hinweg Kenntnis
von den ekelerregenden Zuständen. Weil sie die Öffentlichkeit
nicht informierten, kauften die Kunden weiterhin nichtsahnend
Brot und Brötchen aus hygienisch inakzeptabler Herstellung.