Seit Jahresbeginn hat Bastian, 9 Jahre, immer wieder Ärger mit Lehrern, da er den Unterricht massiv stört und Stress mit Freunden, weil er sie wegen Kleinigkeiten aggressiv „anmacht“. Im Fußballverein sitzt er seit kurzem auf der Ersatzbank, da er in den ersten drei Spielen für böse Revanche-Fouls zweimal die rote Karte sah. Auch Zuhause löst er ständig Streit aus. Mittlerweile fühlen sich seine Eltern überfordert und hilflos. Sie hegen den Verdacht, er könne an ADHS leiden, wissen aber nicht so recht, an wen sie sich wenden können, um eine gesicherte Diagnose zu erhalten.
Typische Symptome einer Aufmerksamkeits-Hyperaktivitätsstörung sind Unaufmerksamkeit, übermäßige Aktivität und Impulsivität. Zumeist sind Kinder davon betroffen, aber auch Erwachsene können noch daran leiden. Eine „echte“ ADHS liegt in der Regel vor, wenn eine ausgeprägte kombinierte Unaufmerksamkeit, körperliche Unruhe und Impulsivität bestehen. Diese müssen in mehreren Lebensbereichen – zum Beispiel Zuhause, in der Schule und in der Freizeit – auftreten. Zumeist sind die Probleme vor dem sechsten Lebensjahr zum ersten Mal aufgetreten und bestehen akut schon mindestens ein halbes Jahr. Kürzere Zeiträume verweisen oft auf andere, aktuelle Problemlagen. Daher empfiehlt es sich, die Ursachen ganz genau zu erforschen.
Zentral ist also eine umfassende Diagnostik, ob es sich überhaupt um das Störungsbild ADHS handelt. Nach der Diagnose muss sorgfältig abgewogen werden, welche Therapiemaßnahmen notwendig sind. Oft wird das ganze familiäre und soziale Umfeld in Diagnose und Behandlung mit einbezogen. In 70 Prozent aller Fälle ist eine therapeutische Begleitung völlig ausreichend, in 30 Prozent wird zusätzlich zeitweise medikamentös unterstützt. Medikamente sollten nur eingesetzt werden, wenn die Symptome sehr ausgeprägt sind und es sich zeigt, das andere Therapiemaßnahmen nach einem Zeitraum von etwa einem halben Jahr nicht ausreichend wirken.
Dazu Dr. A. Alfred, Kinder- und Jugendpsychiater am ADHS-Zentrum München: „Die öffentliche Diskussion um die Diagnose ‚ADHS‘ und die Verschreibung von Medikamenten ist oft stark von persönlichen oder ideologischen Interessen getrieben. Wichtig ist deshalb, die Diskussion zu versachlichen – und vor allem zu schauen, was für das Kind und sein Umfeld am hilfreichsten ist.“