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Hinter verschlossenen Türen basteln einige Ärztefunktionäre und private Krankenversicherer derzeit eifrig an einer neuen Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ). Die bislang bekannt gewordenen Details lassen bei mehreren Medizinern jedoch die Alarmglocken schrillen: Sie befürchten dramatische Folgen für ihre Patienten sowie die Zukunft ihrer Praxen – und schalten nun das Bundeskartellamt ein.

Dem Ärztenachrichtendienst in Hamburg (änd) liegt ein Anwaltsschreiben an das Bundeskartellamt in Bonn vor, in dem die Tübinger Allgemeinmedizinerin Dr. Susanne Blessing – stellvertretend für eine Gruppe von niedergelassenen Ärzten – das Amt zur Überprüfung eines „möglicherweise in Entstehung begriffenen kartellrechtlichen Verstoßes“ auffordert.

So fürchten die Ärzte, dass sie künftig jegliche individuelle Gestaltungsmöglichkeit bei der Abrechnung ihrer Leistungen verlieren: Kann ein Arzt derzeit über Steigerungsfaktoren – je nach Aufwand – den Rechnungsbetrag niedriger oder nach Begründung höher ansetzen, soll es nach aktuellen Plänen künftig nur noch einen „robusten Einfachsatz“ geben, der nur in ganz wenigen Ausnahmen auf das Doppelte angehoben werden kann. Nicht nur für Privatpatienten könnte das Folgen haben. Auch günstige Selbstzahlerleistungen für Kassenpatienten könnten damit der Vergangenheit angehören, so die Befürchtung. Die Ärzte sehen einen Verlust der „heute bestehenden individualvertraglichen Gestaltungsfreiheiten“, auch im Sinne der Patienten.

Im Zentrum der Kritik steht aber auch die Art und Weise, in der die neue Gebührenordnung im Moment entsteht: Auf Anweisung des eigentlich zuständigen Bundesgesundheitsministeriums arbeiten die Bundesärztekammer, der Verband der privaten Krankenversicherer sowie die Beihilfestellen der Länder an einem gemeinsamen Vorschlag – und lassen sich dabei kaum in die Karten schauen. Mit Verweis auf „Geheimhaltungsvereinbarungen“ werden Nachfragen von Ärzten oder der Fachpresse abgeblockt. Nur scheibchenweise geraten Details in die Fachöffentlichkeit.

Nach Meinung der Gruppe um Blessing lässt sich deshalb nicht nur schwer durchschauen, wer mit wem über welche Preise verhandelt. Wenn die Bundesärztekammer versucht, mit Privatversicherungen und Beihilfe fixe Preisabsprachen zu treffen, so könnte der begründete Verdacht eines Verstoßes der Beteiligten gegen § 21 III Nr. 3 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWG) entstehen, heißt es sinngemäß in dem Schreiben an das Bundeskartellamt.

Also „illegale“ Preisabsprachen bei der GOÄ? Blessing und Kollegen fordern zumindest eine dringende Klärung vom Kartellamt, um „sich selbst nicht in das Risiko ordnungswidrigen oder gar bußgeldbewehrten Verhaltens zu begeben“: Blessing ist Delegierte des Deutschen Ärztetages in Hamburg, der am heutigen Dienstag in Hamburg startet und unter anderem das Thema GOÄ behandeln wird. Dort werde sie aufgrund der ungeklärten Sachlage alle Beschlussfassungen zu dem Thema kritisch begleiten, kündigt der beauftragte Fachanwalt für Medizinrecht Carlos A. Gebauer im Auftrag Blessings an.

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