Angst um die Gesundheit, Stress in der Familie, Corona-Maßnahmen in der Schule: Die Pandemie und ihre Folgen können stark auf das Gemüt von Kindern drücken und im schlimmsten Fall zu Depressionen oder Sucht führen. Zum Tag der psychischen Gesundheit am 10. Oktober erklärt Psychologin Teresa Ngigi, wie Eltern ihre Kinder jetzt am besten unterstützen können. Ngigi arbeitet als Trauma-Expertin der SOS-Kinderdörfer vor allem in Krisengebieten. Sie sagt: „Die psychische Gesundheit ist genauso wichtig wie die physische und sollte nicht aus Unwissenheit oder Scham unbehandelt bleiben!“

1. Veränderungen des Kindes im Auge behalten

Ngigi rät: „Achten Sie gemeinsam mit Lehrern, Betreuern und anderen Eltern darauf, ob Kinder ein ungewohntes Verhalten zeigen.“ Die soziale Isolation, das Tragen einer Maske oder andere Veränderungen seien für viele Kinder eine Belastung. „Wenn Ihr Kind schweigsamer, aggressiver oder trauriger wird, nehmen Sie diese Warnsignale ernst!“, sagt die Psychologin.

2. Auffälliges Verhalten nicht bestrafen

Wenn Kinder Wut, Trotz oder Aggression zeigen, werde das von Eltern oder Lehrern oft als Ungezogenheit betrachtet und bestraft. „Das kann genau der falsche Schritt sein“, sagt Ngigi. „In dieser herausfordernden Zeit sind Verständnis und Zuhören die geeigneten Mittel, um zusammen mit dem Kind einen guten Weg zu finden.“ Eltern sollten versuchen, behutsam die Ursache für das Verhalten ihres Kindes herauszufinden. So fühle sich das Kind nicht verurteilt, sondern unterstützt.

3. Hilfe neutraler Personen suchen

Wenn sich ein Kind gegenüber den eigenen Eltern, Lehrern oder Betreuern nicht öffnen möchte oder kann, sei das zu akzeptieren. Vielleicht stecke Scham dahinter oder das Gegenüber sei selbst die Quelle der Angst. Es könne in dem Fall hilfreich sein, eine Vertrauensperson oder professionelle Hilfe aufzusuchen. „Auch, wenn Sie sehen, dass sich ein Nachbarskind oder ein Mitschüler ihres Kindes auffällig verhält, sollten Sie wachsam sein und gegebenenfalls eine soziale Einrichtung kontaktieren“, rät Ngigi. In der Corona-Zeit litten Kinder verstärkt unter häuslicher Gewalt. Es sei Aufgabe aller, sicherzustellen, dass sie nicht in Gefahr sind.

4. Konflikte nicht vor dem Kind eskalieren lassen

Die Corona-Maßnahmen sind auch für viele Eltern eine Belastungs- und Beziehungsprobe. Doch so bedrückend die Situation sein mag, Ngigi rät: „Lassen Sie Streitereien nicht vor Ihrem Kind eskalieren und zeigen Sie Ihre Ängste nicht ungefiltert. Kinder brauchen jetzt ein Gefühl von Geborgenheit und Sicherheit.“

5. Neue Routinen schaffen

Kein Vereinssport, keine Übernachtungen bei Freunden – das wirft viele Kinder aus der Bahn. „Versuchen Sie weiter mit den Kindern zu planen und eine gewisse Routine zu schaffen, in der sich die Kinder wohl und ’normal‘ fühlen“, sagt Ngigi. Zeit in der Natur sei hilfreich, um ein Gefühl von Freiheit und Luft zum Atmen zu spüren. Oder malen Sie zusammen bunte Bilder, klettern auf Bäume und halten per Telefon oder Videochat Kontakt zu lieben Menschen.

6. Die Selbstheilungskräfte der Kinder wecken

„Oft unterschätzen wir die Selbstheilungskräfte von Kindern. Wenn wir sie ermutigen und unterstützen, sind sie oft in der Lage, mehr zu bewältigen, als sie sich selbst zutrauen“, sagt Ngigi. Durch Aufmerksamkeit und gezielte Aktivitäten könne diese Resilienz aktiviert werden. „Die Kinder müssen spüren, dass sie nicht Opfer der Umstände sind, sondern eine Wahl haben; dass sie es sind, die über ihre Gefühle entscheiden“, erklärt die Psychologin. Beispielsweise könnten Entspannungstechniken oder Meditation der Angst entgegenwirken. Gleichwohl gelte: Sind Ängste und Stresszustände massiv und anhaltend, ist es ratsam, professionelle Hilfe zu holen.

7. Den Frust rauslassen

„Schaffen Sie Momente, in denen Ihre Kinder all ihren Gefühlen freien Lauf lassen und auch mal Frust oder Ärger rauslassen können“, rät Ngigi. Das kann mit Worten geschehen, aber auch durch kreative Tätigkeiten wie Malen oder durch Toben, Sport, Gesang oder Tanz.

Psychosoziale Hilfe – eine Kernkompetenz der SOS-Kinderdörfer

Die SOS-Kinderdörfer leisten weltweit psychosoziale Hilfe für Kinder und Familien. Um in der Corona-Pandemie weiter effektiv unterstützen zu können, beraten die SOS-Experten aktuell auch verstärkt per Telefon oder Online-Sprechstunde. Gemeinsam mit anderen Hilfsorganisationen bildet SOS in einem Pilotprojekt weltweit Traumatherapeuten aus.

Wenn Sie selbst oder Ihr Kind unter psychologischen Problemen leiden, zögern Sie nicht, sich kompetente Hilfe zu holen, zum Beispiel bei der Telefonseelsorge, Tel.: 0800 1110111

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