Mit dem seit Anfang des Jahres zur Verfügung stehenden Impfstoff gegen das Corona-Virus wird zunehmend die Frage diskutiert, ob Arbeitgeber ihre Beschäftigten anweisen können, sich impfen zu lassen. Auch in der Politik mehren sich Forderungen nach einer gesetzlichen Impfpflicht jedenfalls für bestimmte Beschäftigungsgruppen. Eine Einschätzung zur Impfpflicht im Arbeitsverhältnis und etwaiger Folgen für impfunwillige Arbeitnehmer gibt Prof. Dr. Michael Fuhlrott, Arbeitsrechtler und Professor an der Hochschule Fresenius in Hamburg.

Wer wann geimpft wird, regelt die vom Bundesgesundheitsministerium erlassene „Verordnung zum Anspruch auf Schutzimpfung gegen das Coronavirus SARS-CoV-2“. Diese sieht keine Impfpflicht vor. „Eine gesetzliche Pflicht zum Impfen gegen Corona besteht derzeit nicht“, so Prof. Dr. Michael Fuhlrott. Allerdings sind gesetzliche Impfpflichten dem Infektionsschutzgesetz (IFSG) nicht unbekannt: So lässt § 20 Abs. 6 S. 1 IFSG die Anordnung einer Impfpflicht ausdrücklich zu. Danach haben „bedrohte Teile der Bevölkerung an Schutzimpfungen oder anderen Maßnahmen der spezifischen Prophylaxe teilzunehmen, wenn eine übertragbare Krankheit mit klinisch schweren Verlaufsformen auftritt und mit ihrer epidemischen Verbreitung zu rechnen ist“.

Impfpflicht für Masern ist verfassungsgemäß

Eine solche gesetzliche Impfpflicht hat der Gesetzgeber erst im Frühjahr letzten Jahres durch das Masernschutzgesetz eingeführt. Danach besteht eine Impfpflicht für Schüler und für in Betreuungseinrichtungen und Schulen tätige Personen. Das Bundesverfassungsgericht (Beschl. v. 11.5.2020, Az.: 1 BvR 469/20 und 1 BvR 470/20) hat entsprechende Eilanträge gegen dieses Gesetz zurückgewiesen. „Dem Grunde nach kann eine Impfpflicht daher durch Gesetz eingeführt werden“, so Prof. Fuhlrott. „Der hierdurch erfolgende Eingriff in die körperliche Unversehrtheit ist gerechtfertigt.“ Ähnlich sieht es zudem das Bundesverwaltungsgericht (Urt. v. 14.7.1959, Az.: I C 170/56), das sich bereits 1959 mit der Impfpflicht gegen Pocken zu befassen hatte und deren Rechtmäßigkeit ebenfalls bejahte. „Wenn in der Politik daher derzeit entsprechende Überlegungen kursieren, so ist nicht ausgeschlossen, dass diese in eine entsprechende gesetzliche Impfpflicht münden werden. Sicherlich wird dies auch von der sich in den nächsten Wochen zeigenden Impfquote abhängen“, mutmaßt Fuhlrott. Und: „Wesentlich für die Frage wird auch sein, ob die Impfung zu einer sterilen Immunität führt, also dazu, dass der Geimpfte andere Menschen nicht ansteckt. Führt die Impfung nur zu einem Eigenschutz, wäre eine Impfpflicht wesentlich kritischer zu sehen.“

Grundsätzlich keine Impfpflicht im Arbeitsverhältnis

Solange eine solche gesetzliche Impfpflicht nicht besteht, werden Arbeitgeber ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aber nicht zu einer Impfung verpflichten können. Das arbeitgeberseitige Direktionsrecht (§ 106 Gewerbeordnung) erlaube zwar, Vorgaben für Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung zu machen. Darauf ließen sich aber allenfalls Untersuchungen wie z.B. das Fiebermessen vor Betreten des Betriebs stützen, grundsätzlich aber keine weitergehenden invasiven Eingriffe wie etwa eine Impfung anordnen. „Impfen oder nicht ist kein dienstliches Verhalten und der Arbeitnehmer in seinem außerdienstlichen Verhalten grundsätzlich frei“, so der Arbeitsrechtler.

Besonderheiten bei Tätigkeiten in Pflegeheimen – im Einzelfall: Kündigung

Diese Aussagen gelten auch für Beschäftigte in Pflegeheimen oder Kliniken, die Kontakt zu besonders vulnerablen Personengruppen haben. Selbst dort wäre eine Anweisung zum Impfen nicht zulässig und könnte durch die Mitarbeiter folgenlos missachtet werden. Zulässig hingegen sei die Verpflichtung, Schutzmaßnahmen zu wahren und sich regelmäßig testen zu lassen. Einer solchen Anordnung müsse der Beschäftigte Folge leisten.Im Einzelfall könnten ungeimpfte Arbeitnehmer allerdings mit einer personenbedingten Kündigung rechnen. Wenn der Einsatz ungeimpfter Pflegekräfte eine hohe Gesundheitsgefahr darstellt, wird ein Arbeitgeber ungeimpfte Arbeitnehmer womöglich nicht mehr einsetzen können. „Gibt es dann auch keine anderen Arbeitsplätze, die einen Patientenkontakt ausschließen und auf die der Arbeitnehmer versetzt werden könnte, droht eine personenbedingte Kündigung wegen Wegfalls der persönlichen Eignung“, so Fuhlrott.

Prof. Dr. Michael Fuhlrott ist Professor für Arbeitsrecht an der Hochschule Fresenius in Hamburg sowie Fachanwalt für Arbeitsrecht und Partner bei FHM Rechtsanwälte.

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