Arzneimittel gegen Seltene Leiden (Orphan Drugs) sind immer wieder mit Vorurteilen konfrontiert. Am heutigen „Rare Disease Day“ stellen wir die zwei verbreitetsten Vorurteile vor – und stellen Fakten dagegen. Denn nur Fakten schaffen Verständnis für die betroffenen Menschen und ermöglichen eine faire Diskussion über Nutzen und Kosten der wichtigen Präparate.

Vorurteil 1: Orphan Drugs sprengen die Finanzen der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV)

Fakt ist: Eine finanzielle Überlastung der Gesetzlichen Krankenversicherung durch Orphan Drugs existiert nicht. Weniger als ein Prozent (0,8 %) der gesamten Ausgaben der Gesetzlichen Krankenversicherung entfällt auf Arzneimittel zur Therapie seltener Erkrankungen im ambulanten Bereich. Die jährlichen Umsätze in Deutschland für knapp zwei Drittel der Orphan Drugs liegen unter zehn Millionen Euro, für mehr als die Hälfte davon sogar unter einer Millionen Euro.

„Immer wieder versuchen Krankenkassen Ausgabensteigerungen in Teilmärkten hervorzuheben und so die Ausgaben für innovative Arzneimittel insgesamt zu skandalisieren“, sagt Dr. Kai Joachimsen, BPI-Hauptgeschäftsführer. „Auch wenn es Verschiebungen in Teilmärkten geben mag: Die Ausgaben der gesetzlichen Krankenkassen für Arzneimittel sind seit Jahren stabil bei rund einem Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Der Anteil der Arzneimittel am GKV-Gesamtmarkt beläuft sich nach Abzug der Abschläge ebenfalls stabil auf aktuell rund elf Prozent.“

Vorurteil 2: Orphan Drugs haben einen fraglichen Nutzen

Fakt ist: Seltene Erkrankungen betreffen höchstens fünf von 10.000 Menschen in der Europäischen Union. Naturgemäß sind Orphan Drugs also für deutlich kleinere Patientengruppen gedacht als Arzneimittel gegen weit verbreitete Krankheiten. Die Durchführung der erforderlichen Studien sind entsprechend schwieriger, denn es fehlen in der Regel vergleichbare Therapien. Dennoch gibt es auch für Orphan Drugs sehr häufig randomisierte klinische Studien.

„Unbeachtet der besonderen Therapiesituation seltener Erkrankungen hat das für die Prüfung des Zusatznutzens zuständige Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) bis heute keine angepasste Bewertungssystematik entwickelt“, so Joachimsen. „Kommen der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) oder das IQWiG zu dem Ergebnis, dass ein Zusatznutzen für ein Orphan Drug „nicht quantifizierbar“ ist, heißt das lediglich: Es lässt sich aufgrund der Seltenheit der Erkrankung und der daraus resultierenden wissenschaftlichen Datenbasis (noch) nicht abschätzen, wie groß der Zusatznutzen ist.“

„Es ist ein Erfolg der europäischen Förderung und ein großer Segen für die betroffenen Patientinnen und Patienten, dass für viele seltene Erkrankungen bereits Orphan Drugs zur Verfügung stehen“, erklärt Joachimsen. „Doch nach wie vor gibt es Tausende von seltenen Erkrankungen, für die bislang keine Therapien existieren. Diskussionen über die Abschaffung von Anreizen zur Entwicklung und Vermarktung von Orphan Drugs sind deshalb äußerst kontraproduktiv.“

Hintergrund: Seltene Erkrankungen

Als „selten“ gelten Erkrankungen laut Definition der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA), wenn höchstens fünf von 10.000 Menschen an dieser leiden. Rund 8.000 verschiedene Seltene Erkrankungen sind bekannt. In Deutschland sind allein etwa vier Millionen Patienten betroffen. Die Bezeichnung „Orphan Drugs“ entstammt dem Englischen, wo diese Erkrankungen als „Orphan Diseases“ bekannt sind – die Waisenkinder unter den Krankheiten. Orphan Drugs sind zudem meist die einzige Behandlungsoption für die häufig jungen Patientinnen und Patienten. Damit Patientinnen und Patienten mit seltenen Erkrankungen gleichermaßen wirksame und sichere Arzneimittel zur Verfügung stehen, entstand eine EU-Verordnung (EG 141/2000), die die wirtschaftlichen Voraussetzungen zur Entwicklung geeigneter Medikamente gegen diese Krankheiten schuf.

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