Muskel- und Skeletterkrankungen, beispielsweise Rückenbeschwerden, waren im Jahr 2020 für 21 Prozent der Arbeitsunfähigkeitstage verantwortlich. Sie nehmen damit eine führende Rolle ein, wenn es um Fehlzeiten am Arbeitsplatz geht – und das nicht nur in Branchen mit schwerer körperlicher Arbeit. Um Muskel- und Skelettbelastungen am Arbeitsplatz zu reduzieren, müssen die Gegebenheiten am Arbeitsplatz ebenso betrachtet werden wie das Verhalten der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. „Die ergonomische Arbeitsplatzanalyse, Begehungen und die Ermittlung der Belastungen nach der Leitmerkmalmethode geben wertvolle Hinweis zum Optimierungsbedarf im Unternehmen. Zudem beziehen wir die Daten des betrieblichen Eingliederungsmanagements BEM mit ein. Auf dieser Basis entwickeln unsere interdisziplinären Teams passende Lösungen für die individuellen Herausforderungen unserer Kundinnen und Kunden. Dabei ist es auch wichtig, Beschäftigte für ergonomisches Verhalten bei der Arbeit und ausreichende Bewegung in der Freizeit zu sensibilisieren“, erklärt Dr. Dana Niemann, Expertin für betriebliche Gesundheitsförderung bei TÜV Rheinland.
Grundvoraussetzung: ergonomische Arbeitsbedingungen
Im Arbeitsschutz stehen technische und organisatorische Maßnahmen an erster Stelle. Daher sind Arbeitgeber gefordert, im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung die Arbeitsplatzbedingungen auch im Hinblick auf Muskel- und Skelettbelastungen zu beurteilen. Dabei fließen viele Faktoren ein, beispielsweise die zur Verfügung stehende Technik, die Arbeitsplatzausstattung und Aspekte der Maschinenbedienbarkeit. Wichtig sind auch arbeitsorganisatorische Aspekte: „Zeitdruck oder eine belastende Unternehmens- oder Führungskultur können beispielsweise Stress auslösen und darüber zu Verspannungen führen und die regelmäßige Ausübung von ergonomischen Körperhaltungen und Bewegungsmustern erschweren. Daher müssen wir bei Muskel- und Skeletterkrankungen immer auch die psychische Komponente berücksichtigen“, weiß Niemann.
Gesundheitsförderliche Verhaltensweisen unterstützen
Neue und ungewohnte Bewegungsabläufe müssen sich erst einspielen. Hier sind Führungskräfte gefordert: Sie müssen die erforderlichen technischen und organisatorischen Rahmenbedingungen schaffen und Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf gesundheitsbewusste Arbeitsweisen hinweisen. Hilfreich können dabei auch Info-Points sein, an denen die Bewegungsabläufe an einem Arbeitsplatz in Bildern dargestellt sind. Sie unterstützen dabei, das Wissen um die richtigen Verhaltensweisen zu vermitteln und immer wieder neu ins Gedächtnis zu rufen. Oftmals ist es Beschäftigten nicht bewusst, dass sie sich nicht ergonomisch bewegen. Kolleginnen und Kollegen, die entsprechend geschult sind, können hier unterstützen, indem sie auf solche Verhaltensweisen hinweisen. Führungskräfte zeigen Wertschätzung, indem sie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit körperlich belastenden Tätigkeiten gezielt ansprechen, welche Hilfsmittel sie sich wünschen. Eine Gelegenheit dazu bieten Mitarbeitergespräche.
Eigenverantwortung fördern
Die Gegebenheiten am Arbeitsplatz und die Unternehmenskultur schaffen die Voraussetzung für gesundes Arbeiten. Doch das allein genügt oft nicht: Eine Schlüsselrolle spielt das Verhalten der Beschäftigten: Sie müssen zum Beispiel bei sitzenden Tätigkeiten Bewegungspausen nutzen und auch in der Freizeit durch körperliche Aktivität für Ausgleich sorgen. „Pausen verbessern die Leistungsfähigkeit. Arbeitgeber können dieses Verhalten mit IT-gestützten Hinweisen unterstützen. Wir empfehlen zum Beispiel kurze Videos, bei denen die Beschäftigten zwischen körperlicher oder kognitiver Aktivierung und Entspannung wählen können. Darüber hinaus kann die arbeitsmedizinische Vorsorge bei der Betriebsärztin helfen, individuelle Belastungen durch persönliche Aufklärung und Beratung zu erkennen und zu verringern“, erläutert Niemann.