Wenn sich die Netzhaut des Auges von der darunter liegen Schicht, dem retinalen Pigmentepithel, ablöst, dann ist das ein Notfall, der prinzipiell so schnell wie möglich augenärztlich versorgt werden muss. Nur so kann die drohende Erblindung des Auges verhindert werden. Frühe Symptome, die die Patienten wahrnehmen, sind Lichtblitze oder helles Flimmern, die vor allem in der Dunkelheit wahrgenommen werden. Viele dunkle Punkte wie ein Rußregen im Auge sind weitere Warnsignale oder auch das Sehen dunkler „Spinnweben“. Schiebt sich aber ein Schatten wie eine Wand ins Gesichtsfeld, dann deutet das darauf hin, dass sich die Netzhaut im entsprechenden Teil des Augenhintergrundes bereits gelöst hat. Mit solchen Symptomen sollte man so schnell wie möglich eine Augenarztpraxis oder Augenklinik aufsuchen, damit die wahrscheinlich notwendige Operation umgehend geplant werden kann. In einer Stellungnahme haben die Deutsche Ophthalmologische Gesellschaft, die Retinologische Gesellschaft und der Berufsverband der Augenärzte Deutschlands zusammengefasst, was bei der Planung einer Operation zu beachten ist (1).

Häufige Ursache: Ein Loch in der Netzhaut

Der bei weitem größte Anteil der Netzhautablösungen beginnt mit einem kleinen Loch oder Riss in der Netzhaut. Ursächlich hierfür sind altersbedingte Veränderungen im Glaskörper. Bei Neugeborenen liegt der Glaskörper fest an der Netzhaut an, löst sich aber durch Umbauvorgänge im Laufe des Lebens von der Netzhaut ab. An einigen Stellen bleibt der Glaskörper, der den größten Teil des Augeninneren ausfüllt mit der Netzhaut verbunden und kann als Folge der altersbedingten Schrumpfung oder bei starker Kurzsichtigkeit an der Netzhaut ziehen. Entsteht dabei ein Loch, dann kann dadurch Flüssigkeit unter die Netzhaut gelangen und sie von ihrer Unterlage ablösen. Augenärzte sprechen von einer rhegmatogenen amotio retinae, einer rissbedingten Netzhautablösung.

Steigende Inzidenz

Insgesamt ist die Netzhautablösung selten. Es scheint aber, dass Augenärzte immer öfter Patienten mit dieser ernsten Augenkrankheit behandeln müssen. Denn ihre Häufigkeit hat in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen, wie aus einer Kohortenstudie aus den Niederlanden hervorgeht (2). Von 2009 bis 2016 beobachteten die Autoren eine Zunahme der Inzidenz von 18,2 pro 100.000 Einwohnern im Jahr 2009 auf 26,2 im Jahr 2016. Die Ursachen hierfür sind noch unklar.

Risikofaktoren

Für das Auftreten einer Netzhautablösung gibt es verschiedene Risikofaktoren. So sind Menschen mit einer starken Kurzsichtigkeit besonders häufig betroffen. Auch eine Kataraktoperation, bei der die trüb gewordene körpereigene Linse gegen ein Kunststoffimplantat ausgetauscht wird, kann das Risiko, eine Netzhautablösung zu erleiden, steigern. Schließlich sind meist Menschen im mittleren Lebensalter (über 50 Jahre) betroffen, Männer häufiger als Frauen.

Komplexe Augenoperation

Bei einer akuten rhegmatogenen Amotio ist die rechtzeitige Behandlung entscheidend für den Erhalt des Sehvermögens. Ein komplexer chirurgischer Eingriff ist notwendig, bei dem der Glaskörper entfernt und die Netzhaut wieder angelegt wird. Für den Erfolg der Operation ist ausschlaggebend, wie lange die Ablösung schon besteht und wie umfangreich sie ist. Insbesondere ist es entscheidend, ob die Sehgrube (Fovea) mit betroffen ist oder ob die Netzhaut in diesem für die zentrale Sehschärfe wichtigen Bereich noch anliegt. Denn in der Fovea sind die lichtempfindlichen Zellen besonders dicht angesiedelt. In diesem kleinen Areal von etwa 1,5mm Durchmesser finden sich 147.000 Zapfen pro mm², die scharfes Sehen in Farbe ermöglichen.

Risikofaktoren für eine rasche Progression

Die Aussichten für den Erhalt des Sehvermögens sind schlechter, wenn die Fovea bereits von der Netzhautablösung mitbetroffen ist. Wird bei der Augenuntersuchung eine Amotio ohne Beteiligung der Fovea festgestellt, dann sollte ein Fortschreiten der Ablösung bis zur Operation vermieden werden. Das Risiko für eine rasche Progression kann anhand verschiedener Faktoren beurteilt werden. Für ein schnelles Fortschreiten sprechen die folgenden Punkte:

– Die Patienten berichten, dass sich die Symptome rasch verschlechtern.

– Die Amotio und auch das verursachende Loch in der Netzhaut liegen oben zur Schläfe hin (temporal).

– Das Erscheinungsbild ist „hochblasig“.

– Die Amotio befindet sich bereits in unmittelbarer Nähe der Fovea.

Andere Befunde sprechen für eine langsame Progression, so etwa eine geringe Ausprägung der Ablösung, eine flache Ablösung in den äußeren Netzhautarealen und schwach ausgeprägte Symptome.

Abhängig von diesen Risikofaktoren wird die Operation geplant und die Dringlichkeit festgelegt. Auch infrastrukturelle und personelle Faktoren sind für eine erfolgreiche Behandlung von Bedeutung, sie sollten bei der OP-Planung berücksichtigt werden. So gibt es Daten, die nahelegen, dass die Erfolgsraten am höchsten sind, wenn ein erfahrener Operateur den Eingriff ausführt (3). Bis zur Operation soll der Patient Augen- und Körperbewegungen vermeiden und entsprechend gelagert werden, um eine Abhebung der Fovea zu verhindern. Je nachdem, wo im Auge die Netzhaut sich gelöst hat, kann das Einhalten einer bestimmten Lage notwendig sein. Sobald die Diagnose feststeht, ist eine stationäre Aufnahme in eine Augenklinik sinnvoll, um die Patienten dabei bestmöglich zu unterstützen. Der genaue Zeitpunkt der Operation kann dann unter Umständen noch etwas hinausgeschoben werden, bis ein erfahrener Operateur zur Verfügung steht.

Wenn die Fovea mit betroffen ist…

Bei einer Amotio, die die Fovea mit betrifft, muss man mit nicht wieder gut zu machenden Folgeschäden rechnen. Je länger die Ablösung hier schon besteht, desto weniger dringend ist eine Operation. Dann kann es sinnvoll sein, wenige Tage abzuwarten, wenn sich dadurch bessere organisatorische, chirurgische oder personelle Voraussetzungen schaffen lassen.

Fazit

Die rissbedingte Netzhautablösung ist ein medizinischer Notfall, der umgehend augenärztlich versorgt werden muss. Frühe Symptome sind das Sehen von Lichtblitzen, helles Flimmern oder ein „Rußregen“ im Auge. Ein Schatten, der sich in das Gesichtsfeld schiebt, spricht für eine bestehende Amotio, die so schnell wie möglich behandelt werden sollte. Die Häufigkeit von Netzhautablösungen nimmt seit einigen Jahren zu. Mit einer komplexen Operation kann die Netzhaut wieder angelegt werden. Ob und in welchem Ausmaß das Sehvermögen erhalten werden kann, hängt von der Dauer und Art der Amotio ab, aber auch von infrastrukturellen und personellen Faktoren. Die Erfolgsaussichten sind höher, wenn ein erfahrener Operateur den Eingriff ausführt.

Prof. Dr. Armin Wolf, Klinik für Augenheilkunde Universitätsklinikum Ulm

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