Die Pandemie ist nicht vorbei. Und selbst, wenn sie vorbei sein sollte, werden uns die Folgen noch über Jahrzehnte beschäftigen. Denn jenseits der direkten Folgen einer Infektion mit dem SARS-CoV-2-Virus, angesichts von rund 130.000 Toten allein in Deutschland und den langfristigen gesundheitlichen Folgen – Stichwort Long-COVID – strahlt die Pandemie auch auf andere Erkrankungen negative Effekte aus. Eine davon ist Krebs. Das belegen verschiedene Daten und Studien, die das forschende Unternehmen AstraZeneca zusammengetragen hat.

Dass die Zahl der Krebsdiagnosen um rund 40 Prozent zurückgegangen ist, darauf deutet eine Untersuchung aus Italien hin. Hier war im Jahr 2020 die Zahl der festgestellten Krebsfälle gegenüber den vorpandemischen Jahren um 39 Prozent gefallen. Besonders stark war der Rückgang bei Prostatakrebs (-75 %), Blasenkrebs (-66 %) und Kolonkarzinom (-62 %). Daten aus den USA bestätigen diesen Trend.

Der Rückgang an Krebsdiagnosen ist gar keiner

Doch der Rückgang an Krebsdiagnosen ist in Wahrheit gar keiner. Aus Sorge vor einer Ansteckung meiden in der Pandemie viele Menschen den Arztbesuch oder schieben routinemäßige Vorsorgeuntersuchungen auf. Damit steigt die Dunkelziffer.

Auch für Deutschland deutet sich an, dass sich die Folgen der COVID-19-Pandemie in den kommenden Jahren in den Krebsstatistiken niederschlagen werden:

  • So gab es allein im Zeitraum von März bis Mai 2020 gegenüber dem Vorjahr 21 Prozent weniger Krebsdiagnosen.
  • Eine Studie vom Hamburg Center for Health Economics zeigte, dass zwischen März und Juli 2020 zehn Prozent der Deutschen ihre Krebsvorsorgeuntersuchungen verschoben.
  • Die Krankenkasse Barmer geht davon aus, dass aufgrund der Corona-Pandemie tausende Krebserkrankungen in Deutschland zu spät oder gar nicht entdeckt werden. „So lag die Zahl der Eingriffe bei neun häufigen Krebserkrankungen von April bis Juni vergangenen Jahres 16,7 Prozent unter denen der Vergleichszeiträume der Jahre 2017 bis 2019.“ In der ersten Corona-Welle dürften „etwa 2.600 Krebserkrankungen unentdeckt geblieben sein, darunter fast 1.600 Brustkrebsfälle.“

„Die Auswirkungen der COVID-19-Pandemie auf die Krebsversorgung lassen sich noch gar nicht genau abschätzen“, sagt der Leiter der Onkologie beim forschenden Pharmaunternehmen AstraZeneca, Dr. Karl Matussek. „Aber die Zahlen sind alarmierend: Wenn wir sehen, dass weltweit die Krebsdiagnosen um bis zu 40 Prozent zurückgegangen sind, wenn wir sehen, dass die Zahl der Krebsoperationen auch in Deutschland stark abgenommen hat und Menschen aus Sorge um ihre Gesundheit Vorsorgeuntersuchungen verschieben, dann zeigt uns das: Der lange Schatten der Pandemie wird sich voraussichtlich auch in einem Anstieg vermeidbarer Krebstodesfälle manifestieren.“ Hier müsse ein Umdenken stattfinden, so Dr. Matussek: „Beschwerden sollten unbedingt frühzeitig abgeklärt werden, damit sich dies nicht nur positiv auf die Behandlungsmöglichkeiten auswirkt, sondern auch auf die Heilungschancen.“

Denn bei Krebs gibt es eine eiserne Grundregel: Je früher die Erkrankung entdeckt wird, desto besser sind die Chancen für eine erfolgreiche Behandlung. Im Fall der Darmkrebsprävention ist es sogar möglich, „vor“ den Krebs zu kommen und mögliche Komplikationen auszuschließen, bevor er entsteht. Eine nur um wenige Wochen später festgestellte Krebserkrankung kann die Überlebenschancen der Betroffenen erheblich reduzieren – auch dazu gibt es wissenschaftliche Untersuchungen. Der Tipp von Krebs-Spezialist:innen ist deshalb: Früherkennungsuntersuchungen und Behandlungen nicht verschieben, eventuell verpasste Untersuchungen schnell nachholen und sich bei Beschwerden sofort einen Termin geben lassen. Denn Abwarten ist bei Krebs keine gute Strategie. Tumore machen keine Pause, bloß weil Pandemie ist.

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