Nach der umfassenden medialen Berichterstattung über den verbreiteten Eckpunktepapierentwurf der Bundesregierung zur geplanten Legalisierung von Cannabis als Genussmittel ist eines positiv hervorzuheben: Die Ampelkoalition ist sich bei ihrem selbst gesteckten Vorhaben ihrer Verantwortung vor dem Hintergrund des Gesundheitsschutzes der Bevölkerung klar bewusst. Die priorisierte Aufgabe des Jugendschutzes in Verbindung mit Cannabis steht dabei klar im Fokus – ein wichtiges und richtiges Vorgehen.
Auch für die ärztliche Behandlung mit medizinischem Cannabis – in Deutschland seit 2017 möglich – enthält das vorläufige Eckpunktepapier einige wichtige Konsequenzen, über die bisher wenig berichtet wurde. Sie sind im Rahmen der Aufklärungsarbeit über Cannabis als Therapieoption jedoch relevant, da ein nicht unerheblicher Anteil von Cannabiskonsument:innen in Deutschland – ähnlich der Situation in Nordamerika – dieses zur Linderung gesundheitlicher Beschwerden einnimmt. Leider jedoch gänzlich ohne ärztliche Begleitung und somit weniger Therapieerfolgen, aber mehr Nebenwirkungen. Das aus der Debatte resultierende Eckpunktepapier zur Legalisierung als Genussmittel beinhaltet nun einige Punkte, die die bereits jetzt mögliche ärztliche Behandlung mit Cannabis voraussichtlich vereinfachen und so mehr Menschen in Deutschland zugänglich machen werden.
Streichung von THC aus Betäubungsmittelgesetz: Weg frei für e-Rezept?
Seit der Zulassung im Jahr 2017 ist medizinisches Cannabis bis heute als Betäubungsmittel klassifiziert. Dies geht mit mehreren Einschränkungen für die Behandlung von Patient:innen einher, da eine Verschreibung besonders strengen Auflagen unterliegt. Die im Eckpunktepapierentwurf genannte mögliche Streichung von Cannabis beziehungsweise THC aus dem Betäubungsmittelgesetz würde Genussmittel wie Medizinpräparate betreffen und somit viele aktuelle Hürden im Hinblick auf die ärztliche Verordnung ausräumen. Verschreibungen könnten auf Normalrezepten ausgestellt werden, welche im Gegensatz zu streng arztgebundenen Betäubungsmittelrezepten für jede Arztpraxis verfügbar sind. Hinzu käme damit die Möglichkeit, Patient:innen elektronische Verschreibungen beziehungsweise e-Rezepte auszustellen – eine Option, die für die Verordnung von Betäubungsmitteln bislang nicht besteht. Als letztes wichtiges Glied in der Versorgungskette könnten außerdem Apotheken von einem so deutlich reduzierten administrativen Aufwand profitieren.
Medizinisches Cannabis am Steuer: Klare Regeln anstatt Unsicherheit
Im Hinblick auf die fortlaufende Debatte zur Änderung geltender THC-Grenzwerte im Straßenverkehr sieht die Bundesregierung zurzeit scheinbar keine Notwendigkeit einer Anpassung, ergänzt jedoch, dass etwaige Diskussionen über die Zulässigkeit von Medizinalcannabis im Straßenverkehr getrennt zu führen sind. Es besteht hier weiterhin eine Notwendigkeit für die Klarstellung und klarere Kommunikation von Seiten des Gesetzgebers – schließlich betrifft die Thematik den Großteil der mehr als 100.000 Cannabispatient:innen in Deutschland. Denn obwohl dieser im Rahmen des Cannabis-als-Medizin-Gesetzes grundsätzlich entschieden hat, dass Patient:innen im Rahmen einer ordnungsgemäß durchgeführten ärztlichen Behandlung mit medizinischem Cannabis nach einer vor Fahrtantritt selbstständig durchgeführten Überprüfung als grundsätzlich fahrtüchtig gelten, erfahren wir immer wieder von unterschiedlichen Auslegungen und Problemen mit Fahrerlaubnisbehörden. Daher die klare Forderung: Cannabispatient:innen sollten nach einer detaillierten ärztlichen Aufklärung sowie einer ärztlich dokumentierten Eingewöhnungsphase am Straßenverkehr teilnehmen dürfen, so lange sie während der Fahrt keine Einschränkungen aufgrund der eingenommen Medikation aufweisen und sich strikt an die verordnete Einnahme und Dosis halten.
Jugendschutz als Priorität: Höherer THC-Gehalt nur aus ärztlicher Hand
Die Angabe zu einer eventuell geplanten THC-Obergrenze von 15 Prozent ist überraschend, insbesondere vor dem Hintergrund des Ziels der Verdrängung des Schwarzmarktes, in dem die THC-Gehalte immer weiter gestiegen sind. Im Kontext des Gesundheits- und insbesondere Jugendschutzes erscheint sie jedoch nachvollziehbar, ist die Gehirnentwicklung schließlich erst mit etwa 25 Jahren abgeschlossen; die möglichen langfristigen Einflüsse von THC deutlich unbedenklicher. Diesem Aspekt hätte die Bundesregierung definitiv Rechnung getragen, sollte sie den Erwerb von Cannabis als Genussmittel für 18- bis 21-Jährige mit einem sogar noch weiter reduzierten THC-Grenzwert von maximal 10 Prozent erlauben. Das bedeutet, dass höherdosierte Cannabispräparate mit beispielsweise 25 Prozent THC weiterhin der ärztlichen Behandlung vorbehalten bleiben. Die existierende Studienlage hinsichtlich der bestätigten Sicherheit von Cannabis als Medikament mit überschaubarem Nebenwirkungsprofil aufgrund der ärztlichen Fürsorge bekräftigt diesen Plan.
Ausblick: Erleichterungen für Behandler:innen und Patient:innen machen Therapie zugänglicher
Insgesamt ist es erfreulich zu verfolgen, dass diverse Eckpunkte dieses Entwurfs die Legalisierung von Cannabis als Genussmittel aus gesundheitspolitischer Sicht mit der angemessen Vor- und Weitsicht in die Wege zu leiten scheinen. Der wichtigste Punkt für Ärztinnen und Ärzte: Der administrative Aufwand wird voraussichtlich erleichtert. Es wird also in Zukunft voraussichtlich deutlich unkomplizierter, gesundheitliche Beschwerden mit medizinischem Cannabis potenziell zu lindern.
Der Zugang zu Cannabis als Medikament wird zudem logistisch einfacher als zu Genussmittelcannabis – eine Entwicklung, die eine ärztlich begleitete, gezielte Behandlung gesundheitlicher Beschwerden „attraktiver“ macht, als eine Selbsttherapie in Eigenregie, ohne fachliche Anleitung und Überwachung. Und damit eine Entwicklung, die wir als Mediziner:innen nur begrüßen können.