„Sich verstärkt der Öffentlichkeit präsentieren“ lautet die Aufforderung des DVE (Deutscher Verband Ergotherapie e.V.) für den 27. Oktober, dem Welttag der Ergotherapie. Das ist gut so. Und wichtig. Denn jeder Mensch, Betroffene selbst ebenso wie behandelnde Ärzt:innen, sollte immer im Hinterkopf haben: Mit einer ergotherapeutischen Intervention lassen sich bei nahezu allen Erkrankungen, Krisensituationen oder Beeinträchtigungen und Behinderungen Verbesserungen im Alltag erzielen. Das hat sich sogar in der Pandemie gezeigt. Die vielfältigen Ansätze und Behandlungsmöglichkeiten von Ergotherapeut:innen waren von einem frühen Zeitpunkt an zielführend.

Ergotherapie begleitet den Menschen von klein auf. Oft bestehen bei Kindern Störungen, die – man muss sagen glücklicherweise – immer besser und schneller erkannt und diagnostiziert werden. Alle sind gut informiert und sensibilisiert: Ärzt:innen, Erzieher:innen und Pädagog:innen ebenso wie die Eltern selbst. Für einen guten Behandlungserfolg ist oft ausschlaggebend, dass das Umfeld bei entsprechenden Beobachtungen zeitnah handelt. In vielen Fällen verordnen Ärzt:innen dann Ergotherapie. Ergotherapeut:innen kümmern sich um Kinder mit motorischen, sozialen oder geistigen Störungen, Erkrankungen oder Entwicklungsverzögerungen und um Kinder mit Behinderungen. Sie sorgen dafür, dass sich deren Fähigkeiten verbessern. Manche Kinder mit einer Erkrankung oder Beeinträchtigung fühlen sich minderwertig oder werden von ihren Altersgenoss:innen so behandelt oder ausgegrenzt. Ergotherapeut:innen machen diese Kinder stark und stabilisieren sie psychisch, verhelfen ihnen zu mehr Selbstwertgefühl und einem gesunden Selbstvertrauen. Auch beziehen Ergotherapeut:innen das Umfeld ein, klären dieses über die Erkrankung oder Störung auf. Sie versetzen die Bezugspersonen – allen voran die Eltern – in die Lage, das Kind besser zu verstehen, verständnisvoller mit ihm umzugehen und in eskalierenden Situationen einen kühlen Kopf zu bewahren.

Ergotherapeut:innen gehen in die Tiefe

Es ist zeitgemäß und zielführend, bestimmte Erkrankungen interdisziplinär zu behandeln. Bei vielen Erkrankungen wie beispielsweise bei Krebs, Depression, ALS, Multipler Sklerose, Parkinson, Schlaganfall, chronischen Schmerzen, psychischen Erkrankungen und ebenso bei körperlichen oder geistigen Behinderungen oder bei schweren Unfällen gehören Ergotherapeut:innen zum Behandlungsteam. Das übergeordnete Ziel einer ergotherapeutischen Intervention ist stets, die Patientinnen und Patienten so zu befähigen, dass sie Ihren Alltag gut, selbstbestimmt und möglichst autark bewältigen. Ein weiterer Part von Ergotherapeut:innen ist unter anderem: Die Betroffenen über ihre Erkrankung informieren, sie über Auswirkungen und Folgen der Behandlung aufklären und die Familie ins Bild setzen. Gerade bei schlimmen Diagnosen ist es wichtig, sich die Zeit zu nehmen, die dafür nötig ist, um beispielsweise alle emotional abzufangen und zwar so, dass sich niemand abgefertigt vorkommt. Ergotherapeut:innen haben die Maßgabe, sich intensiv um die Patient:innen und deren Familie zu kümmern; sie sollen sich die Zeit nehmen, die bei Ärzt:innen oder anderen Fachdisziplinen nicht vorgesehen ist. Dabei einfühlsam vorzugehen ist ein typisches Merkmal von Ergotherapeut:innen. Damit schaffen sie eine gute Vertrauensbasis. Ein vertrauensvolles Verhältnis zwischen Behandelnden und Behandelten aufzubauen ist unter anderem auch dafür nötig, um herauszufinden, was den Menschen, der erkrankt ist, in seinem tiefsten Inneren bewegt. Dabei spielt Ehrlichkeit eine große Rolle: die Ehrlichkeit der Erkrankten oder Menschen in der Krise zu sich selbst steht dabei an erster Stelle. Im nächsten Schritt heißt es, diese Ehrlichkeit auch im Außen zuzulassen und sich beispielsweise dem oder der Ergotherapeut:in in jeder Hinsicht anzuvertrauen. So gelingt es, gemeinsam herauszufinden, was der betroffenen Person im Leben wirklich wichtig ist. Mit diesem Wissen lässt sich festlegen, wie es während und nach der Erkrankung weitergehen soll und wie entsprechende Ziele zu erreichen sind.

Inklusion und Gemeinwesen sind Herzensangelegenheit der Ergotherapie

Die gesellschaftlichen Herausforderungen spiegeln sich in den Aufgaben von Ergotherapeut:innen wider: Inklusion und Gemeinwesen oder auch die demografische Verschiebung stellen spannende Betätigungsfelder dar. Für Menschen mit Behinderung sind Ergotherapeut:innen bereits so lange da, wie es den Beruf in Deutschland gibt. In der Nachkriegszeit galt es, Kriegsverletzten wieder einen Alltag zu ermöglichen, sie ins tägliche Leben und in die Arbeitswelt zu integrieren, ihnen Betätigungen zu ermöglichen, die ihrem Leben wieder einen Sinn geben. Dieses Prinzip der Ergotherapie besteht weiterhin: für alle Menschen mit einer Behinderung oder generell für Menschen, die sich etwa wegen ihrer Herkunft und möglicherweise mangelnden Sprachkenntnissen oder weil sie sich aus anderen Gründen wie Armut oder wegen ihres Alters am Rande der Gesellschaft befinden. Ergotherapeut:innen sind für sie da, machen sich für sie stark, sorgen für erforderliche Anpassungen von Dingen und Veränderungen bei den Menschen im Umfeld.

Ergotherapeut:innen stehen für Diversität

Das Motto des diesjährigen Welttags der Ergotherapie lautet „Opportunity + Choice = Justice“, also Möglichkeiten + Chancen = Gerechtigkeit – ein Hinweis auf die Bedeutung von Diversität. Aus den Bereichen Inklusion und Gemeinwesen kommt das Miteinander, das Ergotherapeut:innen bei vielen anderen Problemsituationen ebenfalls zum Ziel haben. Auch dann, wenn es um Diskriminierung, dem Gegenteil von Diversität, geht. Das Credo in der Ergotherapie: schon im Kleinen ansetzen. Ergotherapeut:innen appellieren an alle Menschen, die mit Kindern zu tun haben, Vorbild zu sein und Kinder so zu erziehen, dass sie das Miteinander dem Gegeneinander und dem Ausgrenzen bevorzugen.

Ergotherapie ist für jede und jeden da – in jeder Krise

Die Corona-Pandemie hat den Alltag aller Menschen auf den Kopf gestellt und viele in eine Krise gestürzt. Ergotherapeut:innen kommen auch in diesem Zusammenhang zum Einsatz: Kommt es zu Stress und Überforderung? Oder haben sich Ängste breitgemacht? Die Berufsgruppe der Ergotherapeut:innen hält für viele Folgen der Pandemie Interventionsmöglichkeiten bereit, was unter anderem daran liegt, dass sie nahezu unabhängig von der Thematik vorgehen. Einer der Grundsätze der Ergotherapie ist, sich auf die Patient:innen und deren Anliegen zu fokussieren. Dazu gehen Ergotherapeut:innen betätigungszentriert vor, sprich sie analysieren Aktivitäten, Handlungen und Abläufe und setzen da an, wo Hilfe nötig ist. Dank der großen Bandbreite der Ergotherapie und der Vielzahl von Konzepten und Ansätzen lassen sich sogar bestimmte Folgen einer COVID-19-Erkrankung und Long Covid ergotherapeutisch behandeln.

Sollten jemals Zweifel an Sinn, Zweck und Nutzen von Ergotherapie bestanden haben: Spätestens seit der Pandemie hat sich die Bedeutung dieser Berufsgruppe bestätigt. Ergotherapeut:innen haben sich bewährt, sich souverän und kompetent gezeigt.

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