Laut Bundesgesundheitsministerium sind 2,3 Millionen Menschen in Deutschland medikamentenabhängig. Deutlich weniger Menschen – 1,6 Millionen – sind süchtig nach Alkohol. Wie leicht ist es, auf dem digitalen Schwarzmarkt an Original-Medikamente zu kommen? Welchen Plan hat die Politik, Jugendliche besser aufzuklären und den Zugang zu erschweren? Und welche Rolle spielen junge Deutschrapper wie der 21-jährige t-low, die ihre Hassliebe für „Downer“ in ihren Songs behandeln? Diesen und mehr Fragen ist Reporter Milan Schnieder in einer neuen Folge der MDR-Reportagereihe „exactly“ nachgegangen – zu sehen ab Montag, 20. März 2023, 10.00 Uhr auf dem YouTube-Kanal „MDR Investigativ“ sowie bei „Exakt – Die Story“ am Mittwoch, 29. März, 20.45 Uhr im MDR-Fernsehen und in der ARD-Mediathek.

„In Zeiten von Krisen wie Corona oder dem Ukraine-Krieg sind Drogen wie Benzos und Opiate gefragt, um runterzukommen und zu entspannen. Jugendliche erhoffen sich, dass sie das wegbringt von Unsicherheiten und Problemen”, erklärt Matthias Rost von der Jugenddrogenberatungsstelle K(L)ICK in Leipzig. Minderjährige suchen den Weg in sein Beratungszimmer, weil sie merken: Ich bin in eine Sucht reingeraten.

Dabei fängt es scheinbar harmlos an, wie beispielsweise bei der damals 16-jährigen Emma*, die „nur ausprobieren” wollte: „Ich denke, wenn ich keine Drogen genommen hätte, dann wären vielleicht meine Depressionen nicht so schlimm geworden. Das hat ein Ausmaß angenommen, dass mir auf jeden Fall sehr geschadet hat.” Die heute 18-Jährige möchte eine Schulklasse wiederholen, um nüchtern ein besseres Fachabi zu machen. Der Wille ist da, trotzdem ist sie wieder rückfällig geworden, hat das Opiat Tilidin genommen. Das Medikament ist verschreibungspflichtig, doch viele junge Menschen wissen, wie man rankommt, erklärt Matthias Rost: „Da werden dann in Arztpraxen Rezepte geklaut. Wir haben immer noch Arztpraxen, wo die Rezepte unterschrieben und abgestempelt am Tresen liegen, auch Privatrezepte. Erstaunlich, dass einige Apotheken nicht stutzig werden, wenn sich 16-Jährige drei Packungen holen.”

Benzodiazepine wie Diazepam oder Xanax werden von den jungen Userinnen und Usern „Downer“ genannt. Über Umwege gelangen sie an Dealer. Solch einen konnte das Kamerateam in einer Vertriebszentrale in einer sächsischen Großstadt treffen. Er hat Benzos und Opiate genauso in seinem Sortiment wie illegale Drogen. Reporter Milan Schnieder hat ihn und seinen Zulieferer interviewt. Das Geschäft läuft gut, denn die Medikamente können schon nach wenigen Wochen täglichen Konsums stark abhängig machen. Konsumentinnen und Konsumenten beschreiben die körperlichen und vor allem psychischen Entzugserscheinungen als höllische Qualen.

Elsa*, die Mutter des medikamentenabhängigen Maurice*, 20 Jahre, sagt: „Ich habe jedes Mal Angst, dass er eben zu viel nimmt. Und ich möchte nicht diese Situation erleben, dass er so in seinem Bett liegt und entweder ich oder seine Geschwister, mein Mann, wie auch immer, finden ihn in diesem Zustand oder eben in gar keinem Zustand mehr.”

In stationären Einrichtungen wie der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik der Universitätsmedizin Halle landen Fälle wie der des 20-jährigen Joshua*, der nach drei Jahren des quasi täglichen Benzo-Konsums zu dem Schluss kommt: „Du kannst keine Liebe mehr empfinden, keinen Hass. Es sind wichtige Dinge im Leben egal und sogar, wenn irgendwelche schlimmen Sachen passieren, machst du trotzdem weiter.” Seine Sucht hat ihn den Schulabschluss gekostet, im Job wurde er gekündigt.

Der Oberarzt der Station, Dr. med. Michael Brütting, wünscht sich, dass schon früh ein größeres Augenmerk auf Prävention gelegt wird: „Ein gesundes Gleichgewicht zwischen Stress und Entspannung, wie man mit seiner Psyche umgeht, ist natürlich ein Feld, was mich sehr beschäftigt. Was ist Selbstbewusstsein? Wie kann ich mich davor schützen, wenn ich beispielsweise Mobbing unterlegen bin und und und…”

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