Atemfrequenz, Schrittanzahl, Blutdruck, Puls, Schlafzeiten, Gewicht, Fett- und Muskelmasse, die Anzahl der Kalorien der letzten Mahlzeit: Die Daten, die Menschen über ihren Körper erfassen können, scheinen heute zahllos. Und es ist so leicht, es braucht dazu nur eine App auf dem Handy, eine Uhr am Handgelenk oder einen smarten Ring am Finger. Das Gesundheitsmagazin „Apotheken Umschau“ erklärt, woher dieser Wunsch nach Kontrolle kommt – und was beim Selftracking zu beachten ist.
Messungen können fehleranfällig sein
Eine Erklärung für den Trend zur Kontrolle hat die Soziologin Stefanie Duttweiler, Professorin an der Berner Fachhochschule: „Zahlen geben einen Eindruck von Objektivität und befriedigen ein Bedürfnis nach Selbstbestätigung.“ Im Rahmen einer Studie hat Duttweiler viele verschiedene Gründe gefunden, Selftracking-Geräte zu nutzen: der Ansporn durch die Daten selbst, der Vergleich mit anderen oder das Ziel, durch körperliche Fitness einen besseren Eindruck in der Arbeitswelt zu machen. Andere Studien haben gezeigt, dass die Motivation vor allem am Anfang der Nutzung von technischen Tools recht hoch ist.
Man sollte sich aber darüber im Klaren sein, dass die Messungen fehleranfällig sind. Der Spruch „Zahlen lügen nicht“ gilt hier nicht immer. Liegt man beispielsweise nachts flach atmend im Bett, misst der Schlaftracker womöglich trotzdem, dass man gerade friedlich schlummert. Denn das Tool reagiert auf Bewegungen. Zudem unterscheiden sich die Geräte in ihrer Leistungsfähigkeit.
Der eigenen Wahrnehmung vertrauen
Wie gut oder schlecht das Selftracking für eine Person funktioniert, ist extrem individuell. Das Verlangen, die Komplexität des Körpers auf eine Handvoll messbarer Werte zu reduzieren, ist durchaus nachvollziehbar. „Die einen stärken die Beziehung zum Körper, die anderen schwächen sie sogar“, beobachtet die Psychologin Dr. Vivien Suchert. Hier geht es um Diskrepanz: Was passiert, wenn es einen Unterschied zwischen dem gibt, was das Gerät einem sagt und was man selbst empfindet? Wenn man eigentlich stolz auf sich ist, weil man es gerade vor die Tür geschafft hat – und die Uhr einem aber sagt, dass man heute 5.200 Schritte zu wenig gelaufen ist? „Diskrepanz führt zu Frust und manchmal auch zu einem fehlenden Vertrauen in die eigene Wahrnehmung“, sagt Suchert.
Die Nutzung von digitalen Geräten und Informationen aus dem Internet kann die Angst vor einer Erkrankung sogar fördern. Wer immerzu Daten auswertet und beobachtet, schürt womöglich schon vorhandene Ängste, dass etwas nicht in Ordnung ist, nur noch mehr. Expertinnen und Experten haben dem Phänomen nun sogar einen eigenen Namen gegeben: Cyberchondrie, ein Begriff, der die Worte Hypchondrie (Angst vor Krankheiten) und Cyber (für digitale Medien) verbindet.