Wie die Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft (BG BAU) am heutigen Dienstag in Berlin mitteilt, sind im vergangenen Jahr die Arbeits- und Wegeunfälle in der Bauwirtschaft im Vergleich zu 2021 zurückgegangen. Demgegenüber gab es 2022 deutlich mehr gemeldete Berufskrankheiten als im Jahr zuvor. Zu den häufigsten Berufskrankheiten gehören Lärmschwerhörigkeit, weißer Hautkrebs durch natürliche ultraviolette Strahlung und Lungenkrebs durch Asbest.
Die Zahl der meldepflichtigen Arbeitsunfälle in der Bauwirtschaft und den baunahen Dienstleistungen sank von 103.525 im Jahr 2021 auf 99.380 im Jahr 2022. Das ist ein Rückgang um vier Prozent. Auch die Zahl der meldepflichtigen Wegeunfälle ist gesunken. Lag sie im Jahr 2021 noch bei 8.808, wurden der BG BAU im vergangenen Jahr 8.298 Wegeunfälle gemeldet. Das sind rund sechs Prozent weniger. Zurückgegangen ist zudem die sogenannte Tausend-Personen-Quote, die die relative Unfallhäufigkeit pro 1.000 Vollbeschäftigte abbildet. Sie liegt 2022 bei 45,51 (2021: 49,84).
74 Beschäftigte sind infolge eines Arbeitsunfalls im Jahr 2022 gestorben. Das waren elf weniger als im Vorjahr. Demgegenüber ist die Zahl der tödlichen Wegeunfälle deutlich gestiegen: 22 Beschäftigte haben im vergangenen Jahr ihr Leben auf dem Weg zur oder von der Arbeit nach Hause verloren (2021: 12).
Ebenfalls ein Anstieg ist bei den Anzeigen auf Verdacht einer Berufskrankheit zu verzeichnen. Von 16.492 Verdachtsanzeigen im Jahr 2021 stieg die Zahl auf 18.228 im Jahr 2022. Dies entspricht einem Gesamtanstieg um über zehn Prozent. Die am häufigsten gemeldeten Berufskrankheiten sind Lärmschwerhörigkeit (4.010), Hautkrebs durch Sonneneinstrahlung (2.675), Lendenwirbelsäulenerkrankungen (1.666) und Lungenkrebs durch Asbest (1.291).
Dirk Müller, alternierender Vorsitzender des Vorstandes der BG BAU, blickt grundsätzlich positiv auf das vergangene Jahr: „2022 ist das erste Jahr, in dem wir in der Bauwirtschaft weniger als 100.000 meldepflichtige Arbeitsunfälle haben. Das ist eine gute Nachricht.“ Zugleich mahnt Müller: „Das ist trotzdem kein Grund, dass wir uns zurücklehnen. Ganz im Gegenteil: Es bleibt viel zu tun, um den Arbeitsschutz weiter voranzubringen und noch wirksamer zu machen.“
Mathias Neuser, amtierender Vorsitzender des Vorstandes der BG BAU, sagt: „Die gute Bilanz wird in diesem Jahr durch den Anstieg bei den Berufskrankheiten getrübt. Besondere Sorgen macht uns dabei die Lärmschwerhörigkeit, die wieder auf Platz eins der Liste landet, sowie die weitere Zunahme bei den asbestbedingten Erkrankungen. Deshalb müssen wir hierauf einen noch stärkeren Fokus bei unserer Präventionsarbeit richten, um zukünftigen Erkrankungen vorzubeugen.“
Bernhard Arenz, Leiter der Hauptabteilung Prävention der BG BAU: „Bei Baustellenkontrollen sehen wir, dass das Sicherheits- und Gesundheitsbewusstsein zunimmt und der Arbeitsschutz von den Betrieben ernstgenommen wird. Das ist eine wichtige Voraussetzung, um Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten zu verhindern. Wir unterstützen unsere Mitgliedsunternehmen bei der Umsetzung ihrer Arbeitsschutzziele, indem wir den Ursachen für Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten genau auf den Grund gehen und praxisnahe Lösungen zu deren Vermeidung entwickeln.“
Klimawandel und Energiewende – eine Herausforderung für den Arbeitsschutz
Die Bauwirtschaft hat eine Schlüsselrolle bei der Umsetzung der Energiewende. Daraus ergeben sich große Herausforderungen für die Sicherheit und Gesundheit am Bau, denn trotz seines Verbots im Jahr 1993 ist Asbest noch immer in vielen Gebäuden enthalten.
Solange der Stoff verbaut ist, besteht in der Regel keine Gefahr. Doch bei Sanierungs- und Instandhaltungsarbeiten können Asbeststäube beispielsweise aus Fliesenklebern, Spachtelmassen, Putzen oder Estrich freigesetzt und von Beschäftigten eingeatmet werden. Mit schwerwiegenden Folgen: Asbestfasern können Krankheiten wie Asbestose, Lungenkrebs oder Mesotheliom, die in der Regel tödlich enden, verursachen.
Asbest: Häufigste Todesursache bei Berufskrankheiten
Die Statistik der BG BAU macht die Brisanz deutlich: Bei den Berufskrankheiten ist Asbest die häufigste Todesursache. In den vergangenen zehn Jahren sind 3.376 Versicherte der BG BAU infolge einer asbestbedingten Berufserkrankung gestorben, allein im Jahr 2022 waren es 320.
Auch die Zahl der Neuerkrankungen nahm im vergangenen Jahr zu. So wurden der BG BAU im Jahr 2022 insgesamt 2.414 neue Verdachtsfälle asbestbedingter Berufserkrankungen gemeldet. Davon entfiel mit 1.291 Verdachtsanzeigen mehr als die Hälfte auf Lungenkrebs, Kehlkopfkrebs oder Eierstockkrebs durch Asbest (2021: 1.290), gefolgt von Asbestose mit 716 Verdachtsanzeigen (2021: 670).
Norbert Kluger, Leiter der Abteilung Stoffliche Gefährdungen der BG BAU: „Asbest ist ein nach wie vor aktuelles Problem, denn wir müssen bei Bestandsbauten immer davon ausgehen, dass Asbest enthalten sein kann. Sollen Arbeiten im Bestand stattfinden, ist vorab eine genaue Recherche und möglicherweise eine Materialanalyse unerlässlich. Danach müssen entsprechende Schutzmaßnahmen ergriffen werden.“
Die gute Nachricht ist: Effektiver Schutz vor der tödlichen Faser ist möglich und machbar. Besonders wichtig ist es, staubarm zu arbeiten. Wo Stäube entstehen, müssen diese abgesaugt und gefiltert werden. Betroffene Arbeitsbereiche sind von anderen Bereichen abzuschotten, damit Asbest nicht verschleppt wird. Bei Gefährdungen sind Atemschutzmasken und staubdichte Schutzanzüge erforderlich.