Alkohol gehört in Deutschland für viele Menschen zum gesellschaftlichen Leben dazu. Was dabei oft verdrängt wird: Alkohol ist ein Suchtmittel, das zur Abhängigkeit führen kann. Als Entlastungsdroge, die auf den ersten Blick beziehungsweise Schluck dafür sorgt, dass sich Stress besser aushalten lässt, spielt Alkohol bei Suchterkrankungen auch in der Führungsriege eine prominente Rolle.

Menschen, die Führungsverantwortung tragen, egal auf welcher Ebene, stehen oft unter großem Leistungsdruck und stellen hohe Ansprüche an sich selbst. Alkohol ist leicht verfügbar. Schnell kann aus dem gelegentlichen Glas zur Entspannung eine Gewohnheit werden. Um die Wirkung zu spüren und der Gewöhnung zu entgehen, steigt der Konsum stetig. Die Folgen sind weitreichend: Konzentrationsschwierigkeiten, Leistungs- und Stimmungsschwankungen, Veränderungen des äußeren Erscheinungsbildes, von glasigen Augen bis zu zitternden Händen oder das Anlegen heimlicher Depots gehören zu den Merkmalen der Alkoholsucht. Fällt das Verhalten im Unternehmen auf, fühlen sich Kolleginnen und Kollegen und Führungsverantwortliche oft unsicher, wie sie reagieren sollen, und neigen zur Verharmlosung des Problems.

Dr. med. Reingard Herbst, Chefärztin der NESCURE® Privatklinik am See, erklärt: „Die Folgen des suchthaften Alkoholkonsums sind für die Betroffenen und das Unternehmen gravierend. Von der Sicherheitsgefährdung am Arbeitsplatz über Umsatzverluste durch Minderleistungen und Fehlzeiten bis zu Haftungsansprüchen von Kundenseite und Arbeitsplatzverlust – frühzeitiges Handeln kann Schaden abwenden. Im Sinne der Fürsorgepflicht ist der Umgang mit Alkoholsucht deshalb ein wichtiger Teil der Führungsverantwortung.“

Die Chefärztin der auf Alkoholsucht spezialisierten Fachklinik der Oberberg Gruppe behandelt nicht nur erkrankte Führungskräfte, sondern schult auch Vorgesetzte und Personalabteilungen im Umgang mit der Situation. Sie weiß, worauf es dabei ankommt:

Frühe Klärung von Problemverhalten

Stellt man Veränderungen im Arbeits- und Sozialverhalten fest, ist es Aufgabe der Führungsverantwortlichen, sich der Situation zu stellen. Das geht nur durch ein frühzeitiges Gespräch. Dabei steht die Fürsorgepflicht im Vordergrund: Betroffene sollen auf Hilfs- und Unterstützungsangebote hingewiesen werden, um einer Verstetigung des problemhaften Verhaltens vorzubeugen. Zunächst geht es dabei nur um den informellen, persönlichen Eindruck, dass die/der Beschäftigte Probleme hat, die sich auf den Arbeitsplatz auswirken, und um die Zusicherung von Unterstützung, wenn diese gewünscht ist.

Wertfrei kommunizieren

Wichtig ist, dass Führungsverantwortliche möglichst wertfrei und sachlich mit der/dem betreffenden Mitarbeitenden kommunizieren und nur über Beobachtungen und Fakten, die die Arbeitsleistung betreffen, sprechen. Diagnosen, medizinische Tipps und Belehrungen gilt es zu vermeiden, da sie beim Gegenüber in der Regel Abwehrverhalten auslösen.

Präventions- und Hilfsangebote verbindlich strukturieren

Führt das erste Fürsorgegespräch nicht zu einer Verhaltensänderung im Arbeitsumfeld, sollten sich daran inhaltlich klar definierte Interventionsgespräche anschließen, in denen Erwartungen an die/den Mitarbeitenden und mögliche Konsequenzen ebenso deutlich benannt werden wie weitere Schritte. Dies gelingt vor allem dann, wenn das Unternehmen dafür Grundlagen schafft, indem es zum Beispiel in einer betrieblichen Vereinbarung verbindlich festhält, welche Maßnahmen bei Suchterkrankungen wann und wie ergriffen werden. Die Gespräche, die im Rahmen eines solchen Stufenplans stattfinden, sind anspruchsvoll. Entsprechende Leitfäden und psychologische Schulungen können Führungskräfte und Personalverantwortliche darauf vorbereiten und die Chancen auf Erfolg des Interventionsprogramms steigern.

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