Die Deutsche Gesellschaft für Gewebetransplantation (DGFG) veröffentlicht heute ihren Jahresbericht 2023 mit Zahlen zur Gewebespende und Transplantation in Deutschland. Die DGFG ist die größte bundesweit tätige Gewebeeinrichtung mit 32 Standorten in der Gewebespendenkoordination und einem Netzwerk aus 14 Gewebebanken für die Aufbereitung von Augenhornhäuten, Herzklappen, Blutgefäßen, Amnionmembranen, Knochen, Sehnen und Bändern.
Die Bereitschaft zur Gewebespende ist hoch: Die Zustimmungsquote lag in 2023 bei 40,6 Prozent. Nach 9.446 Aufklärungsgesprächen konnte die DGFG schließlich 3.505 Gewebespenden realisieren und 7.572 Menschen mit einem Gewebetransplantat versorgen, darunter 5.046 mit einer Augenhornhaut. Allein in Deutschland erhalten jährlich über 9.000 Menschen ein Transplantat aus einer Augenhornhautspende[1]. Damit stammt mehr als die Hälfte aller in Deutschland abgegebenen Hornhauttransplantate aus dem Netzwerk der DGFG.
Der deutliche Zuwachs an Gewebespenden um 13 Prozent im Vergleich zum Vorjahr macht deutlich: Gewebespende funktioniert – vorausgesetzt, Gewebeeinrichtungen werden potentielle Spenderinnen und Spender gemeldet. Hier sieht die DGFG noch deutlich Luft nach oben. Einen nach wie vor bestehenden Mangel an Augenhornhäuten und Herzklappen müsste es nicht geben, würden sich mehr Kliniken, aber auch Pflege- und Palliativeinrichtungen an der Meldung potentieller Gewebespenderinnen und -spender beteiligen.
DGFG wünscht sich stärkere Beteiligung in der Gewebespende
Im vergangenen Jahr erhielt die DGFG über 6.800 Anfragen für eine Augenhornhaut und mehr als 430 Anträge für eine humane Herzklappe. Anhand der Vermittlungszahlen von 5.046 Augenhornhäuten und 197 Herzklappen wird deutlich: Nicht alle Patientinnen und Patienten können mit einem Gewebetransplantat versorgt werden und müssen zum Teil mehrere Monate auf ein Transplantat warten. Das muss nicht sein. Die DGFG ist mit über 27 Jahren Erfahrung in der Organisation von Gewebespenden überzeugt, dass es keinen Mangel an Spendergewebe in Deutschland geben muss. „Würden alle Kliniken in Deutschland ihre Verstorbenen einer Gewebeeinrichtung wie der DGFG melden, dann müsste es keine Wartelisten oder Engpässe in der Versorgung mit Gewebetransplantaten geben“, sagt Martin Börgel, Geschäftsführer der DGFG. Laut Statistischem Bundesamt gibt es in Deutschland 1.893 Kliniken[2]. In 2023 meldeten der DGFG mehr als 320 Einrichtungen 51.231 potentielle Gewebespender:innen. Nicht alle Menschen kommen für eine Gewebespende infrage. Es dürfen keine medizinischen Ausschlussgründe vorliegen. Für eine Infektionsdiagnostik ist eine Blutprobe erforderlich und die begrenzten Zeitfenster müssen eingehalten werden. Nicht nur Kliniken können sich in der Gewebespende engagieren: Da eine Gewebespende im Unterschied zur Organspende auch nach Herz-Kreislauf-Tod möglich ist, im Falle der Augenhornhaut sogar bis zu 72 Stunden nach Todeseintritt, kommt eine Gewebespende auch bei Verstorbenen in z.B. Pflege- oder Palliativeinrichtungen, in Hospizen oder Bestattungsinstituten infrage. Unter der 24-Stunden-Rufnummer 0800 511 5000 nimmt ein medizinischer Bereitschaftsdienst der DGFG Spender:innenmeldungen entgegen.
DGFG fordert stärkere Aufklärungsarbeit zur Gewebespende
Neben einer besseren Organisation der Meldung potentieller Gewebespenderinnen und -spender trägt auch eine stärkere Aufklärungsarbeit und Sensibilisierung für das Thema Gewebespende zu einer Steigerung der Spendenbereitschaft bei. Im Gesetz zur Stärkung der Entscheidungsbereitschaft bei der Organspende vorgesehen und seit 18. März 2024 freigeschaltet ist das Organspende-Register zur Entscheidungsdokumentation. Unter www.organspende-register.de können Bürgerinnen und Bürger ihre Entscheidung analog zum Organspendeausweis digital festhalten. Die in diesem Zusammenhang geführten Debatten zur Anbindung der Gewebeeinrichtungen an das Register und die allgemeine Aufklärungsarbeit zur Organ- und Gewebespende fördern und stärken das Bewusstsein für das Thema Spende. Dennoch sind die Gewebespende, ihre Voraussetzungen und ihre Organisation noch immer vielen Menschen unbekannt. Im Jahr 2023 verstarben etwa 1,02 Millionen Menschen in Deutschland[3]. Dass grundsätzlich jeder oder jede für eine Gewebespende infrage kommt, wissen die wenigsten. Erhalten Gewebeeinrichtungen Zugriff auf diese Meldungen und kennen Angehörige die Thematik der Gewebespende, gäbe es nicht nur mehr Gespräche, sondern mit Sicherheit auch mehr Zustimmungen zur Spende.
Über die Deutsche Gesellschaft für Gewebetransplantation (DGFG)
Die DGFG fördert seit 1997 die Gewebespende und -transplantation in Deutschland. Auf Basis des Gewebegesetzes von 2007 sind alle Tätigkeiten und Ablaufprozesse der Gewebespende gesetzlich geregelt. Für alle Gewebezubereitungen gilt das Handelsverbot. Die DGFG vermittelt ihre Transplantate über eine zentrale Vermittlungsstelle mit einer bundesweiten Warteliste. Jede medizinische Einrichtung in Deutschland kann Gewebe von der DGFG beziehen. Als unabhängige, gemeinnützige Gesellschaft wird die DGFG ausschließlich von öffentlichen Einrichtungen des Gesundheitswesens getragen: Gesellschafter sind das Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden, das Universitätsklinikum Leipzig, die Medizinische Hochschule Hannover, die Universitätsmedizin Rostock sowie das Dietrich-Bonhoeffer-Klinikum Neubrandenburg. Die DGFG ist in ihrer Aufbaustruktur, der Freiwilligkeit der Unterstützung durch die Netzwerkpartner:innen und ihrer Unabhängigkeit von privaten oder kommerziellen Interessen einzigartig in Deutschland.
[1] Gewebevigilanzbericht des Paul-Ehrlich-Instituts 2022, S.13
[2] Kliniken in Deutschland laut Statistischem Bundesamt mit Stand 13. Dezember 2023
[3] Sterbefälle und Lebenserwartung. Statistisches Bundesamt 2023