Eine Geburt ist ein freudiges Ereignis. Doch 10 bis 15 Prozent werdender oder neuer Eltern in Deutschland sind von einer peripartalen Depression (Zeitraum rund um die Geburt und im ersten Lebensjahr) betroffen. Obwohl die Zahl erschreckend hoch ist, wird das Thema immer noch stark tabuisiert. Das über den Innovationsfonds geförderte Projekt UPlusE (U-Untersuchung für Kinder plus Eltern) will das Thema aus der Tabuzone holen und Betroffenen zeitnah Behandlungspfade ermöglichen. Ende Oktober trafen sich die Konsortial- und Kooperationspartner von UPlusE beim BKK Landesverband Bayern in München, um sich zum aktuellen Projektstand auszutauschen.

Dass viele Eltern Unterstützungsbedarf in dieser Lebensphase benötigen ist schon in den ersten neun Monaten seit Projektstart erkennbar: Knapp viertausend Schwangere, Mütter und Väter haben sich in das Projekt ein-geschrieben. Auch bei den Gynäkologinnen und Gynäkologen, Kinder- und Jugendärzten sowie psychologischen-Behandlern ist die Relevanz des Themas angekommen. Aktuell unterstützen über zweitausend Gynäkologinnen und Gynäkologen, Kinder- und Jugendärzte sowie rund 300 Psychologinnen und Psychologen, Psychosomatiker, Psychiater und peripartalpsychiatrische Ambulanzen (Psych-Behandlerinnen) das Projekt. Durch ein Screening bei Schwangeren und jungen Eltern können peripartale Depressionen früh erkannt und behandelt werden. Eine Früherkennung und Behandlung ist auch für das Kind elementar, weil sich Depressionen bei Eltern auch direkt auf die Gesundheit des Neugeborenen aus-wirken.

UPlusE arbeitet App-basiert mit dem Ziel, durch frühzeitige Intervention die psychische Gesundheit von Eltern rund um die Geburt und im ersten Lebensjahr zu stärken, ihre psychosozialen Belastungen zu reduzieren sowie die Eltern-Kind-Beziehung und die Gesundheit des Kindes zu verbessern. Die digitale Vernetzung von Fachärztinnen und -ärzte für Gynäkologie und Geburtshilfe, Kinder- und Jugendärztinnen und -ärzte sowie Psych-Behandlerinnen und Psych-Behandlern stärkt auch den Informationsflüsse untereinander und mit Geburtskliniken und „Frühe Hilfen“.

Schon jetzt zeigt sich, dass UPlusE einen hohen Mehrwert für betroffene Schwangere und Eltern, als auch für die Pädiater, Gynäkologen und Psych-Behandler bietet. Einen großen Anteil daran hat die digitale Vernetzung. Auf der Tagung waren sich alle einig: UPlusE hat ein großes Potenzial für den Einzug in die Regelversorgung der Gesetzlichen Krankenversicherung.

Das vom Innovationsausschuss beim Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) mit 4,6 Mio. Euro geförderte Projekt UPlusE ist am 1. August 2023 unter dem vollständigen Titel: U-Untersuchung für Kinder plus Eltern beim Pädiater zur Förderung der kindlichen Entwicklung mit Impuls aus der frauenärztlichen Schwangerenvorsorge gestartet. Seit Februar 2024 ist deutschlandweit die Teilnahme möglich. Ziel ist es, bis Ende Oktober 2025 mit UPlusE 10.000 Schwangere, Mütter und Väter zu erreichen. Interessierte Schwangere können sich ab der 25. Schwangerschaftswoche bei allen teilnehmenden Gynäkologen und Eltern ab der U3 bei allen teilnehmenden Kinder- und Jugendärzten in UPlusE einschreiben.

Weitere Informationen:

Webseite UPlusE: https://upluse.de/

Konsortialführung: Dr. med. Susanne Simen, Klinikum Nürnberg (Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie).

Ko-Konsortialführung Prof. Dr. med. Christoph Fusch, Klinikum Nürnberg (Klinik für Neugeborene, Kinder und Jugendliche)

Konsortialpartner: BVKJ-Service GmbH, Sanakey ÄVGD, Universitätsmedizin Greifswald, TU München, Universitätsklinikum Würzburg, BKK Landesverband Bayern.

Zitierfähige Statements zum 2. Projekttreffen von UPlusE am 25. Oktober 2024 beim BKK Landesverband Bayern in München:

Dr. Ralf Langejürgen, Vorstand BKK Landesverband Bayern

„Kindern mit einer guten medizinischen Versorgung einen optimalen Start ins Leben zu gewährleisten, ist ein wichtiges Anliegen der Betriebskrankenkassen (BKK). Entsprechend stark ist unser Angebot an Zusatzleistungen für Kinder und Familien, wie beispielsweise STARKE KIDS by BKK, an dem sich 58 BKK beteiligen und dem auch das Innovationsfondsprojekt

UPlusE zuzuordnen ist.

Die Geburt eines Kindes ist ein freudiges Ereignis und zu Recht gesellschaftlich sehr positiv besetzt. Es gibt aber auch viele angehende oder junge Familien, die im Kontext von Geburt und Schwangerschaft mit psychischen Herausforderungen zu kämpfen haben. Gemeint sind peripartale Depressionen.

Wir wollen mit dem wegweisenden Projekt UPlusE bewusst dazu beitragen, das Thema zu enttabuisieren und den Betroffenen frühzeitig helfen, eine peripartale Depression zu erkennen und somit frühzeitig für die Betroffenen psychotherapeutische und medizinische Hilfe zu ermöglichen. Dadurch helfen wir den Eltern und können mögliche Spätfolgen auch für die Kinder reduzieren.“

Statement von Judith Gerlach, Bayerische Staatsministerin für Gesundheit, Pflege und Prävention

[Auszug aus der Videobotschaft von Frau Staatsministerin Gerlach]

„Es liegt auf der Hand, dass ein glücklicher Start von ganz entscheidender Bedeutung für das neugeborene Kind, für die Eltern und unsere ganze Gesellschaft ist. Aber dieser Start kann durch psychische Erkrankungen der frisch gebackenen Eltern ganz erheblich gestört werden. Und das kommt gar nicht so selten vor. Etwa 10 bis 15 Prozent der Mütter erkranken im Lauf der Schwangerschaft oder nach der Geburt an einer Depression. Und auch rund 10 Prozent der Väter sind betroffen. Leider werden psychische Störungen bei Eltern oft zu spät oder gar nicht erkannt. Dabei sind sie gut behandelbar. Genau das macht das Projekt UPlusE so wertvoll.

Mit unserem Masterplan Prävention stellen wir auch die Weichen für mehr Vorsorge, Gesundheitsförderung und ein besseres Gesundheitsbewusstsein. Die psychische Gesundheit ist dabei ein extrem wichtiges Handlungsfeld. Mit unserem diesjährigen Schwerpunktthema Frauengesundheit lenken wir den Blick ganz bewusst auf gesundheitliche Aspekte von Mädchen und Frauen. Das Projekt UPlusE passt hervorragend dazu!

Dr. med. Susanne Simen, Bereichsleitende Oberärztin, Klinik für Psychiatrie u. Psychotherapie Universitätsklinik der Paracelsius Medizinischen Privatuniversität Nürnberg

„Peripartale Depressionen sind häufig! Leider werden sie viel zu selten erkannt und behandelt. Unbehandelt bleiben sie jedoch oft chronisch bestehen – und verursachen großes Leid für die Betroffenen und die ganze Familie. Dabei ist die psychische Gesundheit von Eltern gerade in der Peripartalzeit elementar wichtig für eine gesunde Entwicklung der Kinder! Und eine frühzeitige Behandlung wirkt gut.

Die Peripartalzeit ist damit eine Lebensphase, in der essentielle Weichen gestellt werden! Daher sollten Screening und Frühbehandlung zum nationalen Standard gehören.

Nicht umsonst hat die WHO eigene Abteilung für die psychische Gesundheit von Müttern geschaffen – Screening und Frühbehandlung weltweit sind eines ihrer Ziele.

Solch ein Screening für peripartale Depressionen und psychosoziale Belastungen muss auch in Deutschland zur Regelversorgung werden als Teil der Schwangerenvorsorge und der U-Untersuchungen der Kinder. Neben dem Netzwerk an Frühen Hilfen und Beratungsstellen müssen auch Peripartal-Psychiatrie und -Psychotherapie niederschwellig und zeitnah für alle Betroffenen verfügbar sein – auch als online-Behandlung.

Genau dieses Ziel verfolgen wir gemeinsam mit UPlusE – einer vom Innovationsfonds des G-BA geförderten neuen Versorgungsform. Durch die Nutzung der bereits etablierten PraxisApps der Berufsverbände („Meine GynPraxis“, „Meine pädiatrische Praxis“) ist der Aufwand für die Praxen minimiert – und die vernetzte Versorgung innovativ.

Bereits jetzt, in dieser frühen Phase, ist UPlusE schon ein Erfolg: denn der BKK Landesverband Bayern mit 58 BKK und die Berufsverbände der Frauenärzte, der Kinder- und Jugendärzte, der Psychiater, die Psychotherapeutenkammer die Frühen Hilfen und Beratungsstellen sowie die Experten aus Erfahrung arbeiten hier mit viel Herzblut auf Bundesebene zusammen und verfolgen dasselbe Ziel. Die Rückmeldungen von Praxen und Patienten sind durchwegs positiv und die Teilnehmerzahlen sind hoch.

UPlusE möchte mehr Betroffene in Behandlung bringen und die psychische Gesundheit von Betroffenen und Kindern verbessern. So intensiv und eng, wie wir alle zusammenarbeiten, bin ich zuversichtlich, dass wir dieses Ziel erreichen.“

Dr. med. Klaus Doubek, Präsident des Berufsverbandes der Frauenärzte e.V. (BVF)

„Die Schwangerschaftsvorsorge ist eine der wichtigsten Kernaufgaben, die unsere niedergelassenen Gynäkologinnen und Gynäkologen in Deutschland übernehmen. Sie sorgt für das Wohlbefinden von Mutter und Kind und trägt entscheidend dazu bei, dass die Schwangerschaft für beide so gesund und positiv wie möglich verläuft. Durch regelmäßige Vorsorgeuntersuchungen begleiten wir den Verlauf der Schwangerschaft, unterstützen die gesunde Entwicklung des ungeborenen Kindes und stehen den werdenden Müttern beratend zur Seite.

Neben der körperlichen Gesundheit spielt insbesondere auch das seelische Wohlbefinden der Schwangeren eine zentrale Rolle. Psychische Belastungen, wie etwa Depressionen während der Schwangerschaft, können das Wohlbefinden erheblich beeinträchtigen. Deshalb ist es von großer Bedeutung, dass wir durch den G-BA geförderte Innovationsfondsprojekte wie UPlusE die Möglichkeit haben, peripartale Depressionen frühzeitig zu erkennen und den betroffenen Frauen gezielte Unterstützung anzubieten.

Der BVF unterstützt dieses wichtige Projekt von Anfang an, da es die ganzheitliche Betreuung in den gynäkologischen Praxen ideal ergänzt. Indem wir Schwangeren, die Unterstützung brauchen, rechtzeitig Hilfsangebote machen können, stärken wir das Vertrauen und das Wohlgefühl in der Schwangerschaftsvorsorge.

Unser Ziel ist es, das Screening und die anschließende Betreuung nach einer erfolgreichen Projektphase fest in die Schwangerenvorsorge zu integrieren. Es wäre wünschenswert, diese Maßnahmen auch in der Mutterschafts-Richtlinie zu verankern, um allen werdenden Müttern die bestmögliche Unterstützung zukommen zu lassen.

Die kontinuierliche Betreuung und Beratung durch unsere niedergelassenen Gynäkologinnen und Gynäkologen gewährleistet eine umfassende Begleitung der Schwangerschaft. Lassen Sie uns gemeinsam dafür sorgen, dass jede werdende Mutter in ihrer Schwangerschaft bestens unterstützt wird – für eine gesunde und glückliche Zukunft für Mutter und Kind.“

Dr. med. Michael Hubmann, Präsident des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzt*innen e.V. (BVKJ)

„Die psychische Gesundheit der Eltern hat einen unmittelbaren Einfluss auf die Entwicklung und das Wohlbefinden des Kindes. Daher ist es von großer Bedeutung, im Rahmen der U-Untersuchungen nicht nur die Gesundheit des Kindes zu betrachten, sondern auch die seelische Verfassung der Eltern in den Blick zu nehmen. Das Projekt UPlusE ermöglicht es uns, durch ein App-basiertes Screening frühzeitig depressive Tendenzen, psychosoziale Belastungen und Schwierigkeiten in der Eltern-Kind-Beziehung zu erkennen. Realisiert wird das über die App ‚Meine pädiatrische Praxis‘, die bereits in vielen kinder- und jugendärztlichen Praxen im Einsatz ist.

UPlusE ist in einer frühen Phase bereits so erfolgreich, dass ich zuversichtlich bin, dass es nach Ende der Förderperiode in die Regelversorgung überführt wird. Mit diesem Projekt haben wir einen Meilenstein in der Modernisierung der Versorgung von Familien in der Peri- und Postpartalzeit gesetzt. Ich würde es sehr begrüßen, wenn das Screening und die anschließende Vermittlung an bedarfsgerechte Hilfsangebote zum neuen Standard bei den Vorsorgeuntersuchungen werden. So könnten wir einen wesentlichen Beitrag leisten, Depressionen im familiären Umfeld frühzeitig zu erkennen und effektiv zu behandeln.“

Prof. Dr. Volker Mall, Inhaber Lehrstuhl für Sozialpädiatrie der TU München, Ärztlicher Direktor kbo Kinderzentrum, München

„Als Co-Präsident der Deutschen Gesellschaft für Sozialpädiatrie, als Ärztlicher Direktor einer der größten Einrichtungen der Sozialpädiatrie weltweit und als Lehrstuhlinhaber freue ich mich, mit meinen MitarbeiterInnen das Projekt UPlusE unterstützen zu dürfen. Hier geht es um ein sozialpädiatrisches Kernthema: der Einfluss der psychosozialen Umgebung auf die kindliche Entwicklung, besonders von jungen Kindern – hier der jüngsten – auf die Entwicklung und auf die Gesundheit. Dass hier die ersten Lebenswochen und -monate eine zentrale Rolle spielen ist seit langem bekannt, neu und innovativ ist der Ansatz UPlusE, weil er bereits vor der Geburt ansetzt, weil Kinderärzte, Gynäkologen und Erwachsenenpsychotherapeuten und Psychiater eng vernetzt zusammenarbeiten. Konsequent wird das Ziel verfolgt, keine Zeit zu verlieren und den Säuglingen bestmögliche Startbedingungen für eine gesunde Entwicklung zu ermöglichen. Dabei fokussiert UPlusE auf Hilfestellungen und therapeutische Angebote, ebnet den Zugang und übernimmt Koordination und Organisation.

Dass sind die Punkte die Familien in Schwierigkeiten mit Säuglingen brauchen und ich bin sicher, dass dieses Projekt eine Versorgungsform auf den Weg bringt, die in wenigen Jahren zu einem international beachteten Standard werden wird.“

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