Ein Hygieneskandal am Uniklinikum Mannheim entwickelt sich zur bundesweit größten Affäre um verschmutzte OP-Bestecke. Einem internen Untersuchungsbericht zufolge missachtete die Mannheimer Klinik sieben Jahre lang Hygienegesetze und Infektionsschutzrichtlinien. Das berichten die Zeitungen der Funke-Mediengruppe (Freitagausgaben) unter Berufung auf den Expertenbericht, der der Funke-Gruppe vorliegt. Demnach wurden von 2007 bis 2014 offenbar Zehntausende von Patienten mit unsauberen Instrumenten operiert, weil die 1350-Betten-Klinik zur vorschriftsmäßigen sterilen Aufbereitung der OP-Bestecke nicht in der Lage war – weder technisch, noch organisatorisch, noch personell. Die ahnungslosen Betroffenen wären damit unüberschaubaren Infektionsrisiken ausgesetzt gewesen, schreibt die Funke-Mediengruppe.
Der Aufsichtsrat der Mannheimer Klinik hatte die Expertenkommission unter Leitung des Chefs der Regensburger Uniklinik, Prof. Oliver Kölbl, eingesetzt. Ärzte, Juristen, Medizintechniker und Wirtschaftsprüfer in dem Gremium kommen zu dem Schluss: Die Klinikleitung kannte die Gefahren, unternahm aber nichts dagegen. Warnungen aus dem Hause, sogar Anordnungen der Aufsichtsbehörde, des Regierungspräsidiums Karlsruhe, seien ignoriert worden.
Wie viele Patienten welche Folgeschäden erlitten haben, sei bislang nicht absehbar, berichten die Funke-Medien. Die Staatsanwaltschaft ermittelt.
Eine anonyme Anzeige hatte den Skandal im Oktober 2014 ans Tageslicht gebracht. Die Vorwürfe reichen bis zu gezielter Verunreinigung von medizinischem Gerät. Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen Verstoßes gegen das Medizinproduktegesetz und gegen Hygieneverordnungen. Die Klinikleitung gestand Mängel ein: Waschmaschinen zur Reinigung von OP-Besteck fehlte ein TÜV-ähnliches Siegel, dem Reinigungspersonal die nötige Fachkenntnis. Die Klinik verschrottete zwei Drittel ihrer OP-Instrumente.
Laut Funke-Mediengruppe gibt der Untersuchungsbericht eine Vorstellung davon, wie offenbar auch eine tote Fliege in versiegeltes OP-Besteck gelangen konnte. Seit 2007 stiegen in Mannheim die OP-Zahlen. Damit wurden auch mehr Instrumente benötigt. Doch „nach objektiver Einschätzung“ der Expertenkommission war die gesetzlich vorgeschriebene Aufbereitung der Medizinprodukte mindestens sieben Jahre lang unmöglich. Es fehlte am nötigen Personal, an geeigneter Technik und an verlässlichen Abläufen.
Die vorgegebene „Güte und Qualität“ des Medizinproduktegesetzes und der Krankenhaushygieneverordnung (KRINKO) sei so unerreichbar gewesen, sagen die Prüfer. Sie kommen zu dem Schluss, dass die gesetzlich geregelte Aufbereitung des Sterilguts bis November 2014 „nicht den Richtlinien und Vorgaben entsprach“. Einige Mängel bestünden bis heute.
Die Kommission rät dringend zu Investitionen in Hygiene, Technik, Organisation und Risikomanagement. Mehr qualifiziertes Personal und verlässliche Qualitätskontrollen müssten her.
Laut Klinik sind die Patienten in Mannheim derzeit „sicher aufgehoben“.
Quelle: Westdeutsche Allgemeine Zeitung