Bluthochdruck (Hypertonie) und Alkoholkonsum gehören zu den fünf wichtigsten Risikofaktoren in Westeuropa. Die Zusammenhänge zwischen Alkoholkonsum und Hypertonie werden jedoch bislang sowohl in Fachkreisen als auch in der Bevölkerung zu wenig beachtet. Mit einer Reduktion des Alkoholkonsums kann dagegen der Bluthochdruck und das Risiko für entsprechende Folgeschäden gesenkt werden. Eine zentrale Position in der Gesundheitsförderung und Prävention kommt dabei dem Hausarzt zu. Der Hausärztebereich ist geradezu prädestiniert für ein verbessertes Hypertonie-Management auch und gerade bei riskant Trinkenden im Rahmen eines frühen Alkohol-Screening und einer entsprechenden Intervention.
Bei einer schwer einstellbaren Hypertonie sollte der Arzt hellhörig werden. Denn dahinter kann sich auch ein behandlungsbedürftiger Alkoholkonsum verstecken. Auch eine Erhöhung von Leberwerten und spezieller Nahrungsfette (Triglyzeriden) können weitere Hinweise sein. Ein verstärktes Engagement für ein Alkohol-Screening und die Behandlung würde bedeuten, die von der Weltgesundheitsorganisation (World Health Organization, WHO) im Mai 2013 festgelegten Ziele zur Reduktion des Alkoholkonsums (um mindestens 10%) und der Hypertonie-Prävalenz (um 25%) auch tatsächlich erreichen zu können.(1)
Jedes Glas weniger zählt!
Stellt sich heraus, dass der Patienten zu viel Alkohol trinkt und dies nicht eigenständig reduzieren kann, ist eine medikamentöse Unterstützung der Konsumreduktion sinnvoll. Eine frühzeitige Intervention vermindert das Risiko alkoholbedingter Schädigungen und hat somit positive Auswirkungen auf die Gesundheit.(2) Eine Reduktion des Alkoholkonsums kann zu einer signifikanten Senkung des Bluthochdrucks führen.(3) So kann die Anzahl der Todesfälle aufgrund von Schlaganfall und KHK-Erkrankungen um 10-15% gesenkt werden.(4,5)
Fazit für die Praxis
Das Tabu brechen, den Alkoholkonsum thematisieren und den Patienten motivieren, etwas zu ändern, so kann sich auch der Blutdruck reduzieren. Denn, das Schlimmste ist, nichts zu tun!
Drei Fragen identifizieren den „Problemlöser“ Alkohol
Schon ein kurzes Gespräch kann hier viel bewirken. Doch gilt es, den Patienten einfühlsam und zieloffen anzusprechen. Der Zugang zu diesem oft schwierigen Thema kann mit drei kurzen Fragen gelingen:
1) Haben Sie momentan viel Stress? / Sie haben ja viel um die Ohren. Wie schaffen Sie das alles? 2) Was machen Sie, um zu entspannen und um besser damit umgehen zu können? Beschreiben Sie gern einen typischen Tag. 3) Trinken Sie ab und zu auch ein Glas Wein oder Bier?
Wer dem Patienten und seinen alltäglichen Belastungen empathisch Interesse und Anerkennung entgegenbringt, schafft es, dass der Patient sich öffnet, sich verstanden fühlt.
Über Alkoholabhängigkeit
Alkoholabhängigkeit entsteht dadurch, dass Gehirnzentren des „Belohnungslernens“ durch Alkohol verändert werden und sich eine große Präferenz für alles entwickelt, was mit Alkohol in Verbindung steht. Unter Fortführung des Konsums entwickelt sich die Erkrankung progressiv.(6,7) Alkohol ist für die meisten Körperorgane schädlich, wobei die konsumierte Menge eng mit dem Risiko einer erhöhten Morbidität und Mortalität korreliert.(8) Alkohol ist ursächlicher Faktor für mehr als 60 Erkrankungen und Gesundheitsschäden.(9) Bei der Entstehung der Alkoholabhängigkeit spielen auch genetische und Umweltfaktoren eine wichtige Rolle.(10) Ein wesentliches Merkmal der Alkoholabhängigkeit ist der häufig übersteigerte Konsumwunsch, bedingt durch die hohe „Belohnungserwartung“ an den Alkoholkonsum. Die Patienten haben Schwierigkeiten, den Alkoholkonsum zu kontrollieren und konsumieren trotz der schädlichen Folgen weiterhin Alkohol.(11)
Übermäßiger Alkoholkonsum kommt in vielen Teilen der Welt und insbesondere in Europa häufig vor, wo über 14 Millionen Menschen alkoholabhängig sind.(12) Allein in Deutschland sind circa 1,8 Mio. Menschen an Alkoholabhängigkeit erkrankt.(13) Bei Patienten mit Alkoholabhängigkeit sollten bei einem umfassenden Behandlungsansatz sowohl Abstinenz als auch eine Reduktion als Einstieg in die Therapie berücksichtigt werden.(14)
Quellen
(1) World Health Organization. Global status report on alcohol and health. 2014. (2) Anderson P, Baumberg B. Alcohol in Europe: A public health perspective. London: Institute of Alcohol Studies, 2006 (3) Stewart et al. Addiction 2008; 103:1622-1628; Page 1622 (4) Whelton PK, et al. JAMA 2002; 288:1882-8 (5) Stammler R, Hypertension 1991; 17:16-20 (6) Von der Goltz C, Kiefer F. Der Nervenarzt 2008; 79(9): 1006-16 (7) Leshner. Science 1997; 278: 45-47 (8) Rehm et al. Eur Addict Res 2003; 9: 147-156 (9) WHO. Global status report on alcohol and health, 2011 (10) Schuckit. Ch. 98. In: Davis et al (eds). Neuropsychopharmacology: The Fifth Generation of Progress. 2002 (11) WHO, ICD-10, F10-19 (12) Wittchen et al. Eur Neuropsychopharmacol 2011; 21(9): 655-679 (13) Pabst et al. Sucht 2013; 59(6): 321-331 (14) Ambrogne. J Subst Abuse Treat 2002; 22(1): 45-53