Sieben von hoher Luftverschmutzung Betroffene ziehen vor das Bundesverfassungsgericht, um ihr Grundrecht auf Gesundheit durchzusetzen. Die Beschwerdeführenden leben in Berlin, Düsseldorf, Frankfurt am Main und München in unmittelbarer Nähe von Messstellen mit besonders hoher und damit gesundheitsgefährdender Luftbelastung. Die aktuelle Gesetzgebung der Bundesregierung reicht nachweislich nicht, um die Gesundheit der Menschen zu schützen. So fordert die Weltgesundheitsorganisation (WHO) Grenzwerte für Feinstaub (PM 2,5) und Stickstoffdioxid (NO2), die bis zu fünf Mal niedriger sind als die aktuell in Deutschland geltenden. Die Umweltorganisationen Deutsche Umwelthilfe (DUH) und ClientEarth unterstützen die Verfassungsbeschwerde.
Constanze, Beschwerdeführerin aus Düsseldorf: „Ich klage vor allem für meine zwei Kinder. Auch in der Stadt müssen Kinder gesund aufwachsen können, ohne durch die Luftverschmutzung krank zu werden. Die Bundesregierung ist in der Pflicht, meine Kinder vor gesundheitlichen Schäden zu bewahren, unter denen sie ein Leben lang leiden. Mein Ziel der Verfassungsbeschwerde: Keine vermeidbaren, gesundheitlichen Schäden durch hohe Luftverschmutzung mehr.“
Volker Becker-Battaglia, Beschwerdeführer aus München, ergänzt: „Das Gemeine an der Luftverschmutzung ist, dass man sie nicht sieht. Deshalb wird sie auch von vielen verdrängt. Offiziell stirbt man auch nicht an Luftverschmutzung, sondern sie verursacht eine Reihe von Krankheiten wie Krebs, Herzbeschwerden, Atemnot und Schlaganfälle. Ich selbst leide unter Asthma. Die Politik tut zu wenig, um Menschen, die wie ich an einer vielbefahrenen Straße wohnen, zu schützen. Es gibt viele Möglichkeiten und Maßnahmen, um die Luftverschmutzung zu reduzieren. Was fehlt, ist der politische Wille, diese tatsächlich umzusetzen. Damit sich das ändert, klage ich jetzt für mein Recht auf saubere Luft.“
Dazu Caroline Douhaire, die die Verfassungsbeschwerde juristisch betreut: „Der Staat ist durch das Grundgesetz zum effektiven Schutz der Gesundheit und des Lebens vor den Gefahren der Luftverschmutzung verpflichtet. Daher muss der Gesetzgeber die geltenden Schutzvorkehrungen im Lichte neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse, wie den neuen WHO-Luftqualitätsrichtlinien, überprüfen und verschärfen.“
Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der DUH: „Wir fordern von der Bundesregierung die schnellstmögliche nationale Umsetzung der Grenzwert-Empfehlungen der WHO für Stickstoffdioxid und Feinstaub. Die Schweiz hat bereits seit 37 Jahren deutlich niedrigere Grenzwerte für Stickstoffdioxid als Deutschland. Mit der Verfassungsbeschwerde wollen wir die Saubere Luft und eine Reduzierung der gefährlichen Luftschadstoffe unter anderem aus Verkehr, Holzfeuerung und Landwirtschaft durchsetzen. Dazu braucht es Sofortmaßnahmen wie die Nachrüstung oder Stilllegung schmutziger Verbrenner-Fahrzeuge, eine Halbierung der Zahl der Autos in unseren Städten, den Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs, eine Reduktion der Nutztierzahlen und eine Filterpflicht für Holzöfen – um nur einige Maßnahmen zu nennen.“
Jährlich führt die hohe Luftverschmutzung in Deutschland zu zehntausenden vorzeitigen Todesfällen und hunderttausenden Neuerkrankungen wie Asthma, Krebs, Schlaganfällen oder Demenz. Diese Folgen hoher Luftverschmutzung wären vermeidbar. Die WHO empfiehlt für Feinstaub (PM 2,5) maximal ein Fünftel des derzeit rechtlich geltenden Grenzwerts (statt 25 nur noch 5 µg/m3 im Jahresmittel), für Stickstoffdioxid sogar die Senkung auf ein Viertel des bisherigen Grenzwertes (von 40 auf 10 µg/m3 im Jahresmittel). Zudem fordert die WHO die Einführung eines 24-Stundenhöchstwertes von 25 µg/m³ für Stickstoffdioxid, ein Grenzwert zum Schutz vor kurzzeitiger Luftschadstoffbelastung, der bisher noch gar nicht rechtlich verankert ist.
Links:
Zur Verfassungsbeschwerde: https://l.duh.de/p220926
Mehr Informationen: https://www.duh.de/verfassungsbeschwerde-saubere-luft/