Der Markt für Medizintourismus* wird im laufenden Jahr kräftige Zuwachszahlen verzeichnen. Das ist jedenfalls die Ansicht der Verantwortlichen des Portals Hospitalscout.com, das weltweit das umfangreichste Klinikverzeichnis führt. „Wir gehen davon aus, dass die Umsätze gegenüber 2009 um rund 65% auf dann insgesamt 75 Milliarden Euro oder 100 Milliarden US-Dollar gesteigert werden können“, prognostiziert Dr. Bettina Horster, Vorstand der VIVAI Software AG, die Hospitalscout.com betreibt. „Das ist vor dem Hintergrund, dass bisher überhaupt erst zwischen drei und vier Prozent der gesamten Weltbevölkerung in andere Länder reisen, um sich dort einer Behandlung zu unterziehen, eine bemerkenswert hohe Hausnummer.“

Das Dortmunder Unternehmen hat gemeinsam mit dem Beratungshaus Reza Consultancy die Studie „Medizintourismus – Profitieren von der globalen Gesundheitsversorgung“ ** initiiert und durchgeführt. Danach sind alleine schon 53 Prozent der Angehörigen der Europäischen Union „reisewillig“ in diesem Sinne. Das sind beinahe doppelt so viele wie in den Vereinigten Staaten, wo sich 27 Prozent gerne im Ausland behandeln lassen oder lassen würden. Gründe für diese Differenz seien einerseits die geographische Nähe anderer Länder innerhalb der EU, andererseits aber auch schon existierende Kooperationen. „Diese Angaben zeigen deutlich, wie spannend es ist, die großen Unterschiede in den einzelnen Regionen der Erde und die Ströme der Medizintouristen näher zu ergründen und nachzuzeichnen“, so Dr. Bettina Horster zur Intention, die Studie durchzuführen.

Nicht unerwähnt lassen möchte die Erhebung auch die Hindernisse, die dem Wachsen des Marktes noch im Wege stehen. Als Hauptproblem werden von den Herausgebern der Studie die fehlenden Informationen gesehen. Noch sei es für alle am Medizintourismus Beteiligten vom Verbraucher bis zu den Kliniken sehr schwierig, sich weltweit umfassend über Angebot und Nachfrage in Kenntnis zu setzen. „Daneben spielen noch weitere Aspekte eine Rolle: Bequemlichkeit, Zufriedenheit mit dem nationalen Gesundheitssystem – und natürlich wieder die Kosten, jetzt bei Verbrauchern aus den Ländern, in denen Behandlungen vergleichsweise günstig sind“, konkretisiert Dr. Bettina Horster. „Nicht zuletzt spielen auch ethisch-moralische Fragen sowie beispielsweise Nachsorge und Kostenübernahme bei Komplikationen im eigenen Land häufig eine Rolle.“ An genau diesem Punkt setzt auch der Hospitalscout.com an, das den Medizintouristen vielfältige Informationen für eine Entscheidung für eine Behandlung im Ausland bietet.

Die Ursachen für den medizinischen Tourismus sind vielschichtig. Laut Dr. Bettina Horster haben sich bei den Untersuchungen allerdings vier Hauptmotive herauskristallisiert: „Wir haben gesehen, dass bestimmte Behandlungen oder Operationen nicht in jedem Land zur Verfügung stehen und Patienten deshalb den Weg ins Ausland wählen.“ Dazu geselle sich der gute Ruf von Spezialisten beziehungsweise die Bekanntheit der besonderen Qualität der Behandlungsmethoden. „Des Weiteren sind die Unterschiede in Bezug auf die Wartezeiten teilweise sehr groß“, fährt Dr. Bettina Horster fort, „und letzten Endes spielen natürlich auch Kostenerwägungen eine Rolle.“ Trotz Berücksichtigung der Reise- und Unterbringungskosten seien Behandlungen im Ausland in vielen Fällen günstiger als zu Hause.

Insgesamt sei der Medizintourismus aber ein sich schnell entwickelnder Markt, dessen Stärken und Potenzial gegenüber den noch existierenden Hindernissen deutlich überwiegen. „Wir werden in absehbarer Zukunft erleben, dass immer mehr Länder Maßnahmen ergreifen werden, um Patienten aus aller Welt für einheimische Angebote zu begeistern – ähnlich wie das im Erholungssektor schon lange der Fall ist“, lautet die Prognose des VIVAI-Vorstandes. Zu diesen Maßnahmen zählten beispielsweise die Verbesserung der sprachlichen Fähigkeiten des medizinischen Personals, die aktive Unterstützung seitens der Gesundheits- und Tourismusminister sowie neue Gesetze und Richtlinien wie die EU-Direktive für grenzüberschreitende Gesundheitsversorgung, um ethisch-moralische Bedenken zu zerstreuen.

* Medizintouristen sind ausschließlich solche Personen, die gerade wegen einer Behandlung ins Ausland reisen. Es zählen also nicht dazu: Einwanderer, Personen, zeitweise oder ständig im Ausland leben oder solche, die aus beruflichen Gründen oder als Tourist ins Ausland reisen und sich dort behandeln lassen müssen.

** Originaltitel: „Medical Tourism: Profit from Global Health Care“. Die Ergebnisse wurden im Jahr 2009 -2010 von einer Forschungsgruppe von acht Personen über einen Zeitraum von fünf Monaten ermittelt. Insgesamt wurden 16 so genannte Incoming und vier Outbound Countries untersucht. Zu den Methoden der Studie zählen Sekundär- und Feldforschung sowie Interviews mit Branchenexperten. Dazu kommen 400 Fragebögen, die via Internet ausgefüllt und ausgewertet wurden. Management Summary unter www.hospitalscout.com.

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